Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0253
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Heft 5
DOI Artikel:Pauli, Gustav: Lovis Corinth
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LOVIS CORINTH, DIE VERSUCHUNG DES HEILIGEN ANTONIUS
LOVIS CORINTH
VON
GUSTAV PAULI
Berlin feiert zurzeit in der Sezessionsausstellung
Lovis Corinth — mit doppeltem Rechte!
Denn Berlin kann sich selbst in Corinth erkennen;
es umfängt ihn wie eine verstehende und liebende
Mutter, trotzdem er ja nur ihr Adoptivkind ist.
Ferner aber hat Corinth die Huldigung einer um-
fassenden Kollektivausstellung wohl verdient, weil
er als ein Meister dasteht, als eine massgebende
Grösse. Er hat gesiegt und seit zweitausend Jahren
hat der Sieger das unverbriefte Anrecht auf einen
Triumph! — Man könnte auch sagen, dass Corinth
eine historische Grösse sei. Denn so lebendig er
auch vor uns steht und hoffentlich uns noch lange
erhalten bleibt, so ist er doch nicht mehr im eigent-
lichen Sinne aktuell. Man disputiert wohl über ihn,
aber in den urbaneren Formen der gegenseitigen
Achtung, während man sich über die eigentlichen
Aktualitäten mit Erbitterung und ohne Verstand
befehdet. Was haben wir nicht noch unlängst —
immer noch! — über van Gogh, Cezanne oder
gar über Kubisten und Futuristen erleben und
hören müssen! Wieder einmal wurde Liebe mit
Hass vergolten; die Federn stachen wie Dolche und
die Tinte spritzte wie Blut, während auf der andern
Seite die Auguren milde und tiefsinnig verkündeten,
dass Kandinski uns endlich von den Fesseln des
Gegenständlichen befreit habe und dass Picasso,
Kant vergleichbar, die subjektive Scheinhaftigkeit
der Aussenwelt als Maler durchschaut habe, um
nun — mehr als Kant — uns so etwas wie das
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LOVIS CORINTH
VON
GUSTAV PAULI
Berlin feiert zurzeit in der Sezessionsausstellung
Lovis Corinth — mit doppeltem Rechte!
Denn Berlin kann sich selbst in Corinth erkennen;
es umfängt ihn wie eine verstehende und liebende
Mutter, trotzdem er ja nur ihr Adoptivkind ist.
Ferner aber hat Corinth die Huldigung einer um-
fassenden Kollektivausstellung wohl verdient, weil
er als ein Meister dasteht, als eine massgebende
Grösse. Er hat gesiegt und seit zweitausend Jahren
hat der Sieger das unverbriefte Anrecht auf einen
Triumph! — Man könnte auch sagen, dass Corinth
eine historische Grösse sei. Denn so lebendig er
auch vor uns steht und hoffentlich uns noch lange
erhalten bleibt, so ist er doch nicht mehr im eigent-
lichen Sinne aktuell. Man disputiert wohl über ihn,
aber in den urbaneren Formen der gegenseitigen
Achtung, während man sich über die eigentlichen
Aktualitäten mit Erbitterung und ohne Verstand
befehdet. Was haben wir nicht noch unlängst —
immer noch! — über van Gogh, Cezanne oder
gar über Kubisten und Futuristen erleben und
hören müssen! Wieder einmal wurde Liebe mit
Hass vergolten; die Federn stachen wie Dolche und
die Tinte spritzte wie Blut, während auf der andern
Seite die Auguren milde und tiefsinnig verkündeten,
dass Kandinski uns endlich von den Fesseln des
Gegenständlichen befreit habe und dass Picasso,
Kant vergleichbar, die subjektive Scheinhaftigkeit
der Aussenwelt als Maler durchschaut habe, um
nun — mehr als Kant — uns so etwas wie das
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