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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 1
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Hancke, Erich: Die Klassische Malerei Frankreichs im 19. Jahrhundert: (Ausstellung im Frankfurter Kunstverein)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0075

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CLAUDE MONET, MÜHLE IN ZAANDAM
AUSGESTELLT IM FRANKFURTER KUNSTVEREIN

Malerei geben, die sich besser dieser bizarren, raffiniert
einfachen Komposition anpasste.

Doch glaube ich, dass die Pastellfarbe für Degas das
natürlichste Ausdrucksmittel ist, weil es ihm innerhalb
der gewollten Grenzen ein freies Aussichherausgehen
gestattet.

Drei vorzügliche „Tänzerinnen" scheinen das zu
beweisen.

Degas verwandt, schärfer, zur Karikatur neigend,
ein noch unerbittlicherer Zergliederer der menschlichen
Psyche ist Toulouse-Lautrec. Für seinen eigentümlichen
Stil, der zwischen Malerei und Plakatzeichnung in der
Mitte steht, sind zwei kleine Porträts bezeichnend.

Ihrem Programm folgend, das sich auf die klassische
Kunst Frankreichs beschränkt, hat die Ausstellung dem
Neo-Impressionismus und denneueren Strömungen wenig
Raum gewährt. Einige Bilder von Cross, Seurat, Roussel,
Vuillard und Bonnard geben von ihnen einen Begriff.
Gauguin aber, mit einer grossen Anzahl von Werken ist
als klassischerMeister behandelt. Die dreiBildervonihm,
die im grossen Impressionistensaal hängen, fügen sich
dem Gesamtbilde auch vollkommen ein, denn Gauguin
ist noch der Erbe der grossen Kultur. Aber es ist deutlich,
dass, was gut an ihnen ist, zu Cezanne zurückstrebt, und
jeder Schritt von Cezanne fort ein Herabsteigen ist.

Wie eine „Parklandschaft" von Constable die
Aufgabe hat, an die befruchtende Anregung, die
von England kam, zu erinnern, so ein Porträt von
Van Gogh, zu zeigen, wie sich die französische Kunst
in einer fremden Individualität fortbildete. Je mehr
man sich aber in dieses aussergewöhnliche Werk ver-
tieft, desto schwächer erscheint der Zusammenhang,
der zwischen ihm und dem Impressionismus bestehen
könnte.

Dieses Porträt des Dr. Gachet erinnert mich lebhaft
an eine Zeichnung von Dürer, die ich vor Jahren im
Kupferstichkabinet des Louvre sah. Auch sie hatte
denselben erschreckend starken Ausdruck. Ergreifend
ist das Van Gogsche Bild, aber alles darin allzu subjektiv
unterstrichen. Und seltsam wirkt es, diese asketische
Zeichnung mit den Farben bekleidet zu sehen, welche
der französischen Kunst zum Ausdruck der heitersten
Lebensbejahung wurden.

Die Ausstellung, von der ich hier Bericht gebe,
kann nicht auf den Augenblick wirken wollen. Wir
stehen dieser Kunst zu fern und zu nah. Nur für die
Zukunft kann sie Keime ausstreuen. Sie ist vielmehr
ein Unternehmen, das unter dem Zwang ins Leben tritt,
den hervorragende Kräfte, die nach ihrer natürlichen
Ausbreitung streben, ausüben.

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