DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:Chronik
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0085
MHMBMMMi
Der Künstler, der es vierzig Jahre lang so hübsch
still und einsam in Werder gehabt hat, kann sich vor
Käufern kaum noch retten. In Automobilen kommen
Privatleute und Kunsthändler angejagt. Wenn sie beim
Künstler keine Bilder bekommen, so fahren sie die Um-
gegend ab, erkunden, wo in den Häusern noch Bilder
von Hagemeister hängen, zücken die Brieftasche und
legen den Obstzüchtern einen Tausendmarkschein nach
dem andern auf denTisch. Die Bauern, denen die braunen
Lappen in dieser Gegendnichts Unbekanntes sind, bleiben
standhaft. „Nee, wi verköpen nich!" Wütend faucht
das Auto weiter. Schliesslich hält es vor der Thür eines
Schornsteinfegers. Der Kunsthändler proponiert dem
schwarzen Mann folgendes: er käme doch in der ganzen
Gegend umher; er solle von allen Hagemeisters, die er
entdecken könne, Meldung machen und für jede Mel-
dung ein fürstliches Geschenk erhalten. Werder wird
aufmerksam. Von Kunst versteht man in dieser Stadt
der Kirschen und Äpfel nichts, um so mehr aber vom
Geld. Und die Stimmung steigerte sich bis zur Aufregung,
als neulich gar ein fürstliches Automobil vor dem un-
scheinbaren Häuschen hielt, als ein lebendiger preussi-
scher Prinz den prächtigen alten Herrn besuchte, um
dessen Malerei kennen zu lernen. —
Wir erzählen das, weil auch dieses ein kleiner Bei-
trag zu dem Problem Kunsthandel ist, das J. Meier-
Graefe in diesem Heft zu behandeln beginnt. Und weil
die Geschichte eine so hübsch in die Augen springende
Moral hat: keine ehrliche und tüchtige Arbeit ist jemals
verloren, und wenn der Erfolg noch so lange auf sich
warten lässt. Die goldenen Früchte einer vierzigjährigen,
nie vorlaut sich auf den Markt drängenden Arbeit
fallen dem Fiinfundsechzigjährigen nun mit einem
Male so reich in den Schooss, dass er ärgerlich lachend
schon abwehren muss, um sich die immer noch rege
Lust am Arbeiten nicht verkürzen zu lassen.
FERDINAND HODLER, LANDSCHAFT
SAMMLUNG FRIEDMANN, HAMBURG
MIT ERLAUBNIS DES KUNSTVERLAGS 0. H. MIETHKE, WIEN
74
Der Künstler, der es vierzig Jahre lang so hübsch
still und einsam in Werder gehabt hat, kann sich vor
Käufern kaum noch retten. In Automobilen kommen
Privatleute und Kunsthändler angejagt. Wenn sie beim
Künstler keine Bilder bekommen, so fahren sie die Um-
gegend ab, erkunden, wo in den Häusern noch Bilder
von Hagemeister hängen, zücken die Brieftasche und
legen den Obstzüchtern einen Tausendmarkschein nach
dem andern auf denTisch. Die Bauern, denen die braunen
Lappen in dieser Gegendnichts Unbekanntes sind, bleiben
standhaft. „Nee, wi verköpen nich!" Wütend faucht
das Auto weiter. Schliesslich hält es vor der Thür eines
Schornsteinfegers. Der Kunsthändler proponiert dem
schwarzen Mann folgendes: er käme doch in der ganzen
Gegend umher; er solle von allen Hagemeisters, die er
entdecken könne, Meldung machen und für jede Mel-
dung ein fürstliches Geschenk erhalten. Werder wird
aufmerksam. Von Kunst versteht man in dieser Stadt
der Kirschen und Äpfel nichts, um so mehr aber vom
Geld. Und die Stimmung steigerte sich bis zur Aufregung,
als neulich gar ein fürstliches Automobil vor dem un-
scheinbaren Häuschen hielt, als ein lebendiger preussi-
scher Prinz den prächtigen alten Herrn besuchte, um
dessen Malerei kennen zu lernen. —
Wir erzählen das, weil auch dieses ein kleiner Bei-
trag zu dem Problem Kunsthandel ist, das J. Meier-
Graefe in diesem Heft zu behandeln beginnt. Und weil
die Geschichte eine so hübsch in die Augen springende
Moral hat: keine ehrliche und tüchtige Arbeit ist jemals
verloren, und wenn der Erfolg noch so lange auf sich
warten lässt. Die goldenen Früchte einer vierzigjährigen,
nie vorlaut sich auf den Markt drängenden Arbeit
fallen dem Fiinfundsechzigjährigen nun mit einem
Male so reich in den Schooss, dass er ärgerlich lachend
schon abwehren muss, um sich die immer noch rege
Lust am Arbeiten nicht verkürzen zu lassen.
FERDINAND HODLER, LANDSCHAFT
SAMMLUNG FRIEDMANN, HAMBURG
MIT ERLAUBNIS DES KUNSTVERLAGS 0. H. MIETHKE, WIEN
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