Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

DOI issue:
Heft 5
DOI article:
Proust, Antonin: Erinnerungen an Manet, [5]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0266

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
selten

wegen! Geist aus dem Ramschgeschäft. Wenn aus-
verkauft ist, findet sich immer neue Ware. Geist!
Na, das wäre auch noch schöner, wenn er keinen
hätte, wo er ihn doch verkauft."

Dank der Vermittlung von Adrien Marx, ver-
sprach WolfF die Feindseligkeiten einzustellen, und
Manet fing sein Porträt an.

Noch nicht acht Tage waren nach der ersten
Sitzung vergangen, als WolfFim „Figaro" einen wenig
wohlwollenden Artikel über ein Bild Manets brachte,
das im Cercle des Mirlitons ausgestellt war. Aller
Verkehr wurde abgebrochen, und das Porträt blieb
unvollendet.

„Habe ich denn etwas Unmögliches gefordert:"
sagte Manet, „ich habe nur Neutralität von ihm
verlangt."

Adrien Marx machte vergebliche Versuche,
seinen Mitarbeiter am „Figaro" mit dem Maler der
„Olympia" zu versöhnen.

So schroff- sich Manet, dessen kleinste Hand-
bewegung und geringfügigstes Wort einen unge-
wöhnlich kultivierten Geist und den höchsten
Herzenstakt verrieten, denen gegenüber benahm,
die, wie er es nannte, Schurkenseelen hatten, so
unglücklich machte es ihn, wenn er unwissentlich
einen Freund durch ein Wort kränkte, das seine
Überzeugungen ihm eingegeben hatten. Alfred
Stevens hatte ein Bild gemalt, das eine Frau dar-
stellte, -die einen Vorhang zur Seite schiebt. Auf
der Erde vor diesem Vorhang liegt ein Federbesen,
der dort etwa dieselbe Rolle spielt, wie irgendein
unnützes Adjektiv in einem schönen Prosasatze oder
ein Füllwort in einem gut gelungenen Verse. „Aha,
ich verstehe," sagte Manet, „die Frau wartet auf
den Diener."

Alfred hat sich über diesen Ausspruch sehr ge-
ärgert. Ich lege Wert darauf ihm heute zu er-
klären, dass es Manet aufrichtig leid that, ihn ge-
kränkt zu haben, und dass er ihm dies gern und
rückhaltlos gesagt hätte, wenn ihn nicht die Kom-
mentare, die Stevens dazu machte, von diesem
Schritt zurückgehalten hätten. Hätte Alfred Stevens
einen ganz unschuldigen Scherz nicht so tragisch ge-
nommen, so wären sofort alle Wolken geschwunden.
Manet hatte für Gervex und Jean Beraud eine
ganz besondere Vorliebe. Die Anfänge Gervex'
hatten grosses Aufsehen erregt. Manet hatte sich
als einer der ersten aufrichtig darüber gefreut und
es ihm mit jener Natürlichkeit gesagt, die ein Merk-
mal seines Wesens war.

Jean Beraud war ein eleganter Kavalier, der mit

einer Leichtigkeit durchs Leben schritt, wie sie nur
der Erfolg gewähren kann. Er hatte in allem Er-
folg. Aber statt dadurch übermütig zu werden, be-
wahrte er sich eine seltene Herzensgüte; kannte
man ihn als den liebenswürdigsten Genossen bei
allen Vergnügungen, so durfte man auf ihn als den
opferfreudigsten Freund rechnen. Was Manet so
sehr an ihm schätzte, war seine Treue den Freunden
gegenüber, die Verlässlichkeit seiner Beziehungen
und die Diskretion, wenn es galt einen Freund-
schaftsdienst zu leisten. So war ihm die Anhäng-
lichkeit, mit der Jean Beraud Coquelin ergeben war,
geradezu rührend, was ihn aber nicht daran hin-
derte, sich mit ihm wegen Coquelins Geschmack in
Kunstfragen oft zu streiten.

„Ich will nicht von mir sprechen," sagte er,
„aber Coquelin, der einen richtigen Blick hat, wird
eines Tages Claude Monets Wert erkennen, denn
in der ganzen Schule von 1830 ist auch nicht einer,
der eine Landschaft hinsetzt wie er. Und dann das
Wasser! Er ist der Raffael des Wassers. Er kennt
es in seinen Bewegungen, seinen Tiefen, zu allen
seinen Stunden. Ich lege auf dieses letztere Wort
besonderen Wert, denn Courbet hat den herrlichen
Ausspruch gethan, als Daubigny ihn zu einer See-
studie beglückwünschte: ,Das ist keine Seestudie,
das ist ebne Stunde.' Und das ist es gerade, was
man noch immer nicht versteht, nämlich dass man
keine Landschaft, kein Seestück, keine Figur malt,
sondern dass man den Eindruck einer bestimmten
Stunde des Tages in einer Landschaft, auf einer
Marine, oder auf einer menschlichen Figur wieder-
giebt."

Manet verlebte den Anfang des Jahres 1875
in Venedig. Bei seiner Rückkehr hatte er eine
seiner beiden Ansichten von Venedig an James
Tissot verkauft, die eine gehört jetzt Faure, die
andere Durand-Ruel. Der Salon von 1875 brachte
sein erstes Bild aus Argenteuil. Das Jahr vorher
hatte er die Dichter zu einem Wettbewerb auf-
gefordert, ihm zwei Verse für seine Lithographie
des Polichinelle zu machen. Da nichts Annehm-
bares dabei herauskam, wandte er sich an Theodore
de Banville, der ihm die beiden folgenden Verse
zuschickte:

Feroce et rose, avec du feu dans Ja prunelle,
Effronte, saoul, divin c'est lui, Polichinelle.
Sehr komisch war Manets Verlegenheit, aufweiche
Weise er sich für Banvilles Liebenswürdigkeit er-
kenntlich zeigen sollte. „Ich würde ihm gern
etwas von mir Gemaltes geben, wenn ich wüsste,

157
 
Annotationen