Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Max Beckmann
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0314

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
grossen Inbrunst dieses Idealisten der Wahrheit ist
man es schuldig mit den eigenen Forderungen
nicht hinter den seinigen zurückzubleiben. Um so
mehr als es sich um das Werk eines Dreissig-
jährigen handelt, um die Arbeit eines noch immer-
fort Werdenden, von dem die entscheidenden
Werke erst zu erwarten sind. Möge es ihm ge-
lingen die Klippe zu meiden, woran alle unsere
Deutsch-Römer bisher gescheitert sind; möge sein
heroischer Ehrgeiz sich darauf richten, ein Ge-
stalter, ein Schöpfer im wahren Wortsinne zu
werden und das Geheimnis jener Form zu lernen,
die in einem Stilleben, in einer Aktzeichnung
ebenso gross und grösser sein kann wie in einer
figurenreichen Kreuzigung. Er stelle im Geiste
mitten unter seine gross gewollten Werke eine
Zeichnung Daumiers, ein Stilleben Cezannes, ein
Porträt Tintorettos oder Franz Hals', eine Ra-
dierung Rembrandts oder sonst etwas unschein-
bar Unsterbliches. Gleich wird er wissen was
ihm noch fehlt, was er noch zu erwerben hat,

um sich mit Recht auf die Stufe zu seinen grossen
Vorbildern stellen zu können, worauf sein Wollen
fortgesetzt den Betrachter hinweist.

Wir möchten gerne vertrauen, dass uns hier
ein bedeutender deutscher Maler heranwächst.
Denn wo sollten wir vertrauen, wenn nicht diesem
jungen, von der Natur mit einem mächtigen Trieb
beseelten Idealisten gegenüber, der seine Mission
so heilig ernst nimmt. Wir wissen es, dass in der
Kunst das Wollen wenig, das Können alles ist;
aber sollte sich ein Höhenwille wie dieser nicht
mit der Zeit auch Gestaltungskraft erobern kön-
nen? Beckmanns Leben müsste eine Tragödie
werden, wenn er nicht Sieger bleiben könnte.
Wir Zuschauer können nichts thun, als ihm und
uns von ganzem Herzen den Sieg wünschen, jeden
Schritt des sich Entwickelnden mit Anteil zu ver-
folgen wie eine Sache, die uns selbst angeht, und
ihm zu raten, nie auf die unmittelbare äussere
Wirkung zu blicken, sondern immer nur auf das
Sollen seiner einsamen Natur.

MAX BECKMANN, STUDIE. ZEICHNUNG

305
 
Annotationen