eine Erfindung der RueLaffitte, ein Gerücht, das durch
die Assoziation des Prinzen mit der Firma ßernheim
eine gewisse Bestätigung erhielt. Die Assoziation
endete nach kurzer Zeit mit einem vielbesprochenen
Prozess, bei dem der Prinz einige Haare lassen musste.
Übrigens hat er trotz seiner phantastischen Kauferei
kein schlechtes Geschäft gemacht und hat schon
heute an manchemBilde schöne Differenzen verdient.
Viele Preise gleichen den Gefälligkeitsakzepten,
mit denen sich wackelige Kaufleute auszuhelfen
pflegen. Ein Strohmann treibt die Preise, die nach-
her der Besitzer, in der Hoffnung, dass die anderen
Preise ebenso hoch bleiben, selbst bezahlt. So wurde
es eine Zeitlang nicht ohneErfolgmit Sisley gemacht.
Der Trick, der seit fünfzig Jahren und vermutlich
schon seit hundert in allen nur erdenklichen Varia-
tionen geübt wird, ist übrigens kein billiger Spass.
Denn die zehn Prozent Provision müssen in der Regel
gezahlt werden. Doch hat er immer noch Zug-
kraft, selbst bei den Eingeweihten. Es steht damit
wie mit der Textreklame der grossen Tageszeitungen.
Jedermann weiss, dass die Zeile an dieser Stelle vier-
zig Francs, an jener zwanzig kostet und dass ich
für diesen Preis behaupten darf, aus Stiefelwichse
Austern erzeugen zu können. Trotzdem wirkt das
Mittel, wenn es oft genug wiederholt wird. An
die Echtheit der fiktiven Preise des Hotel Drouot
glaubt nach einer kurzen Weile sogar der, der sie
selbst lanciert hat, und zwar in aller Ehrlichkeit,
weil sie im „New York Herald" gestanden haben.
Sehr oft zahlen die interessierten Händler auch hohe
wirkliche Preise. So wird nicht leicht ein Cezanne
im Hotel Drouot unter den Preisen verkauft, die
Vollard fordert, und es ist heute nahezu ausgeschlos-
sen,dortbilligeBilder von Renoir,Manet, Degas usw.
zu finden. Im allgemeinen, namentlich bei grossen
Auktionen mit ihrer eigenen Atmosphäre, wird im
Drouot mehr bezahlt als bei den Händlern. Ein Ring,
von demimmer gefaselt wird,besteht nicht undhat nie
bestanden. Das gemeinsame Interesse verbindet die
Händler auch ohne stipulierte Konventionen, wenn
es ihnen praktisch erscheint. Im übrigen sucht jeder
Händler möglichst viel und möglichst hoch zu ver-
kaufen und dient seinen Kunden lieber als dem
Konkurrenten. Der Pariser Kunsthändler ist im
allgemeinen sehr ehrlich und so kulant wie die
grossen Pariser Warenhäuser und alle modernen
Pariser Detailgeschäfte. Das gilt nicht nur von den
grossen Firmen, deren Korrektheit schon vom Ge-
schäftsinteresse diktiert wird, sondern auch von den
zahllosen kleinen Boutiquen.
So viel und so wenig sei über die Entstehung
der Preise gesagt. Interessanter ist die Analyse der
Schätzung,die sich in den grossen Umrissen des Welt-
marktes zu erkennen giebt. Wer prägt die ideellen
Werte, die nachher, zuweilen sehr lange nachher, in
Münze umgesetzt werden? Mit nichten traut man
der Wissenschaft dieses hehre Amt zu. Von win-
zigen Einzelheiten abgesehen, so lehrt die Geschichte
der Malerei, hat das Fachgelehrtentum an der
schöpferischen Wertung keinen Anteil. Bei den
grossen Stationen der für die Erkenntnis der Ma-
lerei entscheidenden letzten hundert Jahre hat das
Fachgelehrtentum immer versagt. Nicht die Brille
des Professors, sondern dem Genie der Künstler
verdanken wir den Fortschritt unseres Wissens.
Maler und Dichter erkannten die Höhen der hollän-
dischen Kunst, lange bevor Bode seine Irrtümer be-
ging. Maler und Dichter ersahen die frühen Ita-
liener, Künstler entdeckten Japan, bevor sich die
Museen mit diesen gering geachteten Dingen ab-
gaben. Maler erforschten mit sicher erkennenden
Augen Spanien, bevor Justi die Fabel von Grecos
Wahnsinn nachbetete. Und Dichter halfen Dela-
croix zum Sieg und stützten Courbet und traten für
die grossen Meister von 1870 ein, als die offiziellen
Kunstbehörden noch im Banne der Couture und
anderer Götzen waren. Sowohl die alte wie die
zeitgenössische Kunst wurde zuerst von Künstlern
in der Weise gewertet, die heute der Forschung
und dem Markte massgeblich scheint. Und das
ist ganz natürlich. Nicht die Kunsthistoriker brau-
chen die Kunst. Sie würden ohne sie einfach etwas
anderes werden, Juristen, Chemiker, Tapezierer,
Kanzleiräte, Briefmarkensammler. Mit dem eigent-
lichen Wesen der Kunst haben nur die Künstler zu
thun. Ihnen ist sie unentbehrlich, denn sie giebt
ihnen Sprache und Inhalt. Sie entwickeln sich
selbst, indem sie die Kunst entwickeln, geben ihren
eigenen Wert, indem sie das Überlieferte werten,
sind die Wächter und Zerstörer, die wahren —
guten oder schlechten — Konservatoren der
Kunst.
Unter den Verdiensten Tschudis war diese Ein-
sicht in das Wesen künstlerischer Wertung, zu der
er sich, je älter er wurde, immer konsequenter be-
kannte, das Entscheidende. Ihr verdankte er die
Unabhängigkeit von dem Spezialistentum der Kaste,
die schöpferische Gestaltung der Museen, die er
leitete, — und was in dem Rahmen dieser Be-
trachtungen auch eine Bedeutung verdient
grossen Erfolge auf dem Kunstmarkt.
D;
seine
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die Assoziation des Prinzen mit der Firma ßernheim
eine gewisse Bestätigung erhielt. Die Assoziation
endete nach kurzer Zeit mit einem vielbesprochenen
Prozess, bei dem der Prinz einige Haare lassen musste.
Übrigens hat er trotz seiner phantastischen Kauferei
kein schlechtes Geschäft gemacht und hat schon
heute an manchemBilde schöne Differenzen verdient.
Viele Preise gleichen den Gefälligkeitsakzepten,
mit denen sich wackelige Kaufleute auszuhelfen
pflegen. Ein Strohmann treibt die Preise, die nach-
her der Besitzer, in der Hoffnung, dass die anderen
Preise ebenso hoch bleiben, selbst bezahlt. So wurde
es eine Zeitlang nicht ohneErfolgmit Sisley gemacht.
Der Trick, der seit fünfzig Jahren und vermutlich
schon seit hundert in allen nur erdenklichen Varia-
tionen geübt wird, ist übrigens kein billiger Spass.
Denn die zehn Prozent Provision müssen in der Regel
gezahlt werden. Doch hat er immer noch Zug-
kraft, selbst bei den Eingeweihten. Es steht damit
wie mit der Textreklame der grossen Tageszeitungen.
Jedermann weiss, dass die Zeile an dieser Stelle vier-
zig Francs, an jener zwanzig kostet und dass ich
für diesen Preis behaupten darf, aus Stiefelwichse
Austern erzeugen zu können. Trotzdem wirkt das
Mittel, wenn es oft genug wiederholt wird. An
die Echtheit der fiktiven Preise des Hotel Drouot
glaubt nach einer kurzen Weile sogar der, der sie
selbst lanciert hat, und zwar in aller Ehrlichkeit,
weil sie im „New York Herald" gestanden haben.
Sehr oft zahlen die interessierten Händler auch hohe
wirkliche Preise. So wird nicht leicht ein Cezanne
im Hotel Drouot unter den Preisen verkauft, die
Vollard fordert, und es ist heute nahezu ausgeschlos-
sen,dortbilligeBilder von Renoir,Manet, Degas usw.
zu finden. Im allgemeinen, namentlich bei grossen
Auktionen mit ihrer eigenen Atmosphäre, wird im
Drouot mehr bezahlt als bei den Händlern. Ein Ring,
von demimmer gefaselt wird,besteht nicht undhat nie
bestanden. Das gemeinsame Interesse verbindet die
Händler auch ohne stipulierte Konventionen, wenn
es ihnen praktisch erscheint. Im übrigen sucht jeder
Händler möglichst viel und möglichst hoch zu ver-
kaufen und dient seinen Kunden lieber als dem
Konkurrenten. Der Pariser Kunsthändler ist im
allgemeinen sehr ehrlich und so kulant wie die
grossen Pariser Warenhäuser und alle modernen
Pariser Detailgeschäfte. Das gilt nicht nur von den
grossen Firmen, deren Korrektheit schon vom Ge-
schäftsinteresse diktiert wird, sondern auch von den
zahllosen kleinen Boutiquen.
So viel und so wenig sei über die Entstehung
der Preise gesagt. Interessanter ist die Analyse der
Schätzung,die sich in den grossen Umrissen des Welt-
marktes zu erkennen giebt. Wer prägt die ideellen
Werte, die nachher, zuweilen sehr lange nachher, in
Münze umgesetzt werden? Mit nichten traut man
der Wissenschaft dieses hehre Amt zu. Von win-
zigen Einzelheiten abgesehen, so lehrt die Geschichte
der Malerei, hat das Fachgelehrtentum an der
schöpferischen Wertung keinen Anteil. Bei den
grossen Stationen der für die Erkenntnis der Ma-
lerei entscheidenden letzten hundert Jahre hat das
Fachgelehrtentum immer versagt. Nicht die Brille
des Professors, sondern dem Genie der Künstler
verdanken wir den Fortschritt unseres Wissens.
Maler und Dichter erkannten die Höhen der hollän-
dischen Kunst, lange bevor Bode seine Irrtümer be-
ging. Maler und Dichter ersahen die frühen Ita-
liener, Künstler entdeckten Japan, bevor sich die
Museen mit diesen gering geachteten Dingen ab-
gaben. Maler erforschten mit sicher erkennenden
Augen Spanien, bevor Justi die Fabel von Grecos
Wahnsinn nachbetete. Und Dichter halfen Dela-
croix zum Sieg und stützten Courbet und traten für
die grossen Meister von 1870 ein, als die offiziellen
Kunstbehörden noch im Banne der Couture und
anderer Götzen waren. Sowohl die alte wie die
zeitgenössische Kunst wurde zuerst von Künstlern
in der Weise gewertet, die heute der Forschung
und dem Markte massgeblich scheint. Und das
ist ganz natürlich. Nicht die Kunsthistoriker brau-
chen die Kunst. Sie würden ohne sie einfach etwas
anderes werden, Juristen, Chemiker, Tapezierer,
Kanzleiräte, Briefmarkensammler. Mit dem eigent-
lichen Wesen der Kunst haben nur die Künstler zu
thun. Ihnen ist sie unentbehrlich, denn sie giebt
ihnen Sprache und Inhalt. Sie entwickeln sich
selbst, indem sie die Kunst entwickeln, geben ihren
eigenen Wert, indem sie das Überlieferte werten,
sind die Wächter und Zerstörer, die wahren —
guten oder schlechten — Konservatoren der
Kunst.
Unter den Verdiensten Tschudis war diese Ein-
sicht in das Wesen künstlerischer Wertung, zu der
er sich, je älter er wurde, immer konsequenter be-
kannte, das Entscheidende. Ihr verdankte er die
Unabhängigkeit von dem Spezialistentum der Kaste,
die schöpferische Gestaltung der Museen, die er
leitete, — und was in dem Rahmen dieser Be-
trachtungen auch eine Bedeutung verdient
grossen Erfolge auf dem Kunstmarkt.
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