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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 6
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Barchan, Paul: Leo Bakst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0323

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LEO BAKST, ODALISKE (,,SCHEHEREZADE"

sie beherbergt, beglücken, auf dass sie atmen und
sehen. Es will scheinen, als ob die Künstler dieser
Stadt verbildet werden: sie lieben die aufreibende
Hysterie dieser Stadt, lieben die Nebel, die Archi-
tektur, die Umständlichkeit, die schier unter-
irdische Lebendigkeit. Diese Liebe hat etwas
mütterlich Behütendes bekommen und sich zu
einer Art von Tradition gebildet. Sie wachen über
diese Stadt, seine architektonischen Denkmäler,
seinen guten Ruf. Durch die Liebe zu dem histo-
rischen Petersburg (auch in der Literatur giebt es
eine ähnliche Strömung) hat sich bei ihnen ein
historischer Sinn entwickelt. Da die Petersburger
Nebel und Feuchtigkeit ihr Auge und also die
Freude des Sehens trübten, wurde ihr nervöser
Geist und ihre Phantasie desto reger. Sie er-
sannen. Die einen Hektisches, die andern Pom-
pöses. In andern Himmelsstrichen und vergangenen
Epochen lebten sie sich aus. (So Roerich, Somow,
Benois, Wrubel).

Bakst konnte sich weder in das vorhistorische
noch vorpetrische Russland, noch in das Rokoko
hineinzwängen. Mit seiner ruhigen, ausgeglichenen
Kalligraphie arbeitete er sich in die griechischen
Formen und das Empire hinein. Modern jüdisch
war vielleicht daran die Liebe für das Handwerk-

liche; vielleicht auch ein Schuss von einer alten,
Heine verwandten Sehnsucht nach reinen Formen,
nach einem Widerschein biblischer Beziehungen.
Er gründete zusammen mit seinen Freunden
Benois, Somow und dem Moskauer, im vorigen
Jahre verstorbenen Serow die Künstlergruppe und
Zeitschrift der russischen Moderne „Mir iskusstwa".
Eine jugendfrische Unruhe und ein Uberschuss an
Kraft, aber auch eine Unbefriedigtheit trieb ihn
sich in allen Künsten zu versuchen. Er malte
Porträts, lebendig, sinnlich und knapp erfasst;
machte Buchschmuck, manchmal verworren, meist
aber von einem Wohllaut, einer Kalligraphie und
strengen Beherrschung des Stils; auch Plakate, ja,
auf der ersten und eigentlich auch einzigen Aus-
stellung, auf der russische Künstler sich vor etwa
sieben Jahren in Innenarchitektur versuchten, fand
man sich in einem amüsanten runden Empire-
zimmer in Weiss und Lachsrot von Bakst. Bei
Somow hing schon damals eine entzückende Mi-
niature von Bakst: Katharina IL auf der Jagd,
in Männerkleidung, schreitend. Er stattete die
„Puppenfee" für das Marientheater aus, vierzehn
dieser hübschen Figurinen sind als Postkarten er-
schienen im rührigen und ausgezeichnet geleiteten
Kunstverlag des Roten Kreuzes in Petersburg.

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