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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 7
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Proust, Antonin: Erinnerungen an Edouard Manet, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0370

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dich

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zustand gesprochen und mir gesagt: „Sehen Sie,
ich, der die anderen behandelt, leide an heftigen
Herzbeschwerden, ich trage einen abscheulichen
Stein mit mir im Bauch herum."

„Und weiter hat er dir nichts gesagt:"

„Doch, er hat mir Vorwürfe gemacht, dass ich
nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt habe, damit
der Staat ein Bild von dir ankauft."

„Also hat er deiner Marotte geschmeichelt:"

Wahrend Manet damals mein Porträt malte,
hatte ich wirklich mit ihm über meinen Plan ge-
sprochen, es durchzusetzen, dass das Luxembourg-
Museum eins seiner Bilder ankauft.

„Ich will nicht stückweise in die Museen ein-
dringen," hatte er mir damals geantwortet, „ent-
weder ganz oder gar nicht." Ich stellte ihm vor,
dass man doch mit dem Anfang anfangen müsse.
„Das gebe ich zu," erwiderte er, „aber richtig wäre,
wenn jeder Maler eine Wand für sich hätte, mit
gehörigem Platz zwischen den Bildern und in dem
Milieu, wie es für ihn passt. Das Aufhängen ge-
schieht ohne Sinn und Verstand, die Anordnung
ist abgeschmackt, die Ausschmückung der Säle ist
ganz verrückt. Man tötet das Eine durch das
Andere. Wenn man mir keine Wand geben will,
dann lieber gar nichts."

„Und doch hat das Kind mit dem Säbel, für
sich allein, keine kleine Revolution in den Vereinig-
ten Staaten hervorgerufen!"

„Das ist möglich, aber hier möchte ich dann
schon lieber nichts."

Das Jahr darauf, als ich im Ministerium der
schönen Künste war, machte ich ihm wiederum
den Vorschlag. Ich hatte soeben die vier Courbets
angekauft, die im Louvre hängen: „das Begräbnis
von Omans", den „Hirschkampf", den „Mann mit
dem Ledergürtel" und den „Verwundeten". Das
war nur dadurch ermöglicht worden, dass Henry
Hecht eine Summe für den Ankauf vorstreckte,
denn das Ankaufsbudget war erschöpft oder we-
nigstens schon mit Beschlag belegt, indem ich eine
Summe für den Ankauf der Sammlung Timbal
reserviert hatte.

Ich schlug Manet vor, für ihn in derselben Weise
vorzugehen, wie für Courbet; doch lehnte er es ab.

„Da würde ja ein Indianergeheul bei deinen
Kollegen losbrechen. Bedenke doch dass, im Ver-
gleich mit mir, Courbet ein Klassiker ist, und nun
sieh, wie dieser Klassiker in der Kammer auf-
genommen worden ist. Es ist dort besser geworden,
das will ich zugeben. Aber haben sich vielleicht

die Konservatoren des Louvre gebessert: Sie haben
die Courbets in die dunkelsten Säle und in einer
ganz wahnsinnigen Höhe untergebracht. Wenig
hat daran gefehlt, so wärest du gezwungen ge-
wesen, wie Gambetta scherzend sagte, deine Cour-
bets auf einem Karren spazieren zu fahren, um wie-
der zu deinem Gelde zu kommen, ebenso wie
Emile Ambre meinen „Maximilian" durch ganz
Amerika gekarrt hat. Und dann hab ichs nicht
eilig. Es gab mal eine Zeit, wo ichs eilig hatte,
das ist vorbei. Ich bin geduldig und philosophisch
geworden, ich kann warten, oder wenigstens mein
Werk kann warten, denn die Angriffe, deren Ziel
ich war, haben die Spannkraft meines Lebens ge-
brochen. Keiner weiss, was es heisst immer und
immer wieder beschimpft zu werden; das ekelt
einen an, und richtet einen schliesslich zu Grunde."

Nochmals am gleichen Tage kam er auf das
Thema zurück. „Also, Siredey hat dir Vorwürfe
gemacht," sagte er, „dass du den Staat nicht ver-
anlasst, ein Bild von mir anzukaufen: Aber das
wollen wir nun ruhen lassen, nicht wahr? Und
nun versprich mir eines: mich niemals stückweise
in ein Museum kommen zu lassen, wenigstens nicht,
ohne zu protestieren.

Kannst du dir mich im Luxembourg vorstellen
mit einem einzigen Bilde, der „Olympia" oder dem
„Pere Lathuille"? Ich wäre dann nicht mehr ganz,
und ich will ganz bleiben.

Nimm zum Beispiel eine einzelne Bleistift-
zeichnung des alten Heim und hänge sie zwischen
lauter Bilder allen möglichen Ursprungs. Und nun
bedenke die Wirkung oder vielmehr Nichtwirkung!
Hänge im Gegenteil die ganze Serie in gutes Licht
auf einen guten Platz, und du wirst dein blaues
Wunder erleben. Ich will nicht auf einer Muster-
karte figurieren."

Er ordnete bei diesen Worten langsam die Pin-
sel, die er am Tage vorher beim Malen einer Mi-
niatur benutzt hatte, der einzigen Miniatur, die er
je gemacht hat, und die heute Francois Coppee
gehört, dann sagte er: „Weisst du, wonach mein
Ehrgeiz schon lange strebt? Ich möchte den Christus
am Kreuze malen. Und nur du könntest mir dafür,
so Modell stehen, wie ich es mir denke; während
ich dein Porträt malte, verliess mich dieser Ge-
danke keinen Augenblick. Er wurde schliesslich
so sehr zur Manie, dass ich dich als Christus mit
dem Hut auf dem Kopf, im Rock und mit einer
Rose im Knopfloch gemalt habe. Das könnte allen-
falls als der Christus gelten, der zurMagdalene geht.

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