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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 11
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Delage, Frank: Höhlenmalereien der Vorzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0564

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mammuth aus les combarelles
(dordogne)

der Bemerkung begnügen, dass das Perigord fast
allein damit dasteht, dass dort auch Abbildungen
von den ältesten und in der grössten Kälte lebenden
Tieren (Mammut, Rinozeros und Bär) vorkommen,
während die Pyrenäen und besonders die Sierras
nur die jüngeren Tierarten aufweisen (Rinder,
Hirsche).

Unter so vielen Abbildungen sind gewiss auch
linkische, steife, ungenau ausgeführte; manche sind
auch nur Skizzen, ungeschickte Versuche oder allzu
eilig ausgeführte Umrisszeichnungen. Man bemerkt
— wie das ja ganz unvermeidlich ist — Fehler in
der Perspektive; die Proportionen der einzelnen
Körperteile sind nicht immer exakt: hier ist der
Kopf zu klein, da der Rumpf zu kurz oder zu
niedrig, dort der Bauch zu dick und anderswo sind
die Pfoten zu schwach. Aber wie sehr würden wir
im Unrechte sein, wenn wir uns durch solche
Fehler daran hindern lassen wollten, die Mannig-
faltigkeit und vor allem die bewundernswerte Ge-
nauigkeit in der Wiedergabe der verschiedenen
Stellungen sowie die grosse Exaktheit in den Einzel-
heiten zu sehen!

Oft ist die Haltung des Stillstehens, des
Ausruhens im Stehen, oft ist das Tier aber auch
während einer Bewegung erfasst worden, in dem
Augenblicke, wo es seinen Anlauf nimmt, oder
auch in einer der Phasen des Trotts oder des Galopps.
Wenn man einerseits Kühe und Ochsen sieht, die
sich in ziemlich nachlässiger, träger Weise auf ihren
Pfoten halten, und Hirschkühe, die langsamen
Schrittes einhergehen, so sieht man doch anderer-
seits auch Pferde und Steinböcke, die mit grosser
Lebhaftigkeit hocherhobenen Hauptes im Galopp
daherkommen. Da fixiert ein Bison mit brutalem
Auge einen Feind, der sich offenbar vor ihm be-

findet; wenn man es so sieht, wie es in trotziger
Haltung mit eingezogenem Halse auf seinen straff
gespannten Pfoten dasteht, während sein Schwanz
in nervöser Hast die leere Luft peitscht, fühlt man,
dass es im nächsten Augenblicke gewiss auf seinen
Gegner losstürzen wird. Ein anderes liegt, die
Glieder unter den Rumpf zurückgebogen, an der
Erde; es hat den Kopf zur Seite gewandt und ruht
auf den Hinterpfoten aus. Hier sieht man zwei
Renntiere auf der Weide, die mit lang ausgestrecktem
Halse und mit der Schnauze am Boden mit kleinen
Schritten aufeinander zugehen. Ein Hirsch erhebt
sich von seiner Lagerstätte: seine Hinterbeine sind
noch unter seinen Rumpf eingebogen, und er ist
eben dabei, sich auf den Vorderpfoten aufzurichten.
Seinen Rüssel hin- und herschwingend schreitet ein
Mammut mit wuchtigem Schritte seinem Weide-
platze zu. Anderswo geht ein Eber mit gesträubten
Borsten und bedrohlich vorgereckter Schnauze
wütend zum Angriffe vor.

Bei diesen so verschiedenartigen Stellungen ist
die einer jeden Tierart eigene, charakteristische
Gestalt meisterhaft erfasst. Ziemlich häufig zeigen
diese Einzelzüge eine Vollendung und Genauigkeit,
die unsere Zoologen in Erstaunen setzt: es handelt
sich da besonders um die Kniegelenke, die Huf-
gelenke, die Schnauzen, die Augen und die Ge-
schlechtsteile (die niemals vernachlässigt sind).
Einzelne Kopfteile der Pferde sind so stark wieder-
gegeben, dass man zunächst an das Vorhandensein
von Halftern geglaubt hat, die dann auf eine Zäh-
mung hingedeutet hätten: aber mit Hilfe genauerer
anatomischer Kenntnisse hat man dann in der Folge-
zeit die Wahrnehmung gemacht, dass jene Striche

steinbock aus les combarelles
(dordogne)

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