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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 7
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Voll, Karl: Adolf Oberländer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0355

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ADOLF OBERLÄNDER, MUCKI DER AFFE

„Die schönsten deutschen Volkslieder mit ihren eigen-
tümlichen Singweisen, Stuttgart 1863. Viele un-
serer besten Zeichner haben die Illustrationen ge-
liefert: Ramberg, Ludwig Richter, Schwind, Strä-
huber, und auch Piloty hat sich mit einigen Blät-
tern an dem Schmuck des schönen und jetzt sehr
selten gewordenen Buches beteiligt. Dort zeigt sich
die Schulverwandtschaft zwischen den zwei Künst-
lern zwar sehr deutlich, aber es zeigt sich auch
schon die Überlegenheit Oberlä'nders über seinen
späteren Lehrer. Damals war er ja noch im Atelier
von Anschütz. Pilotys Illustrationen geben zusam-
menhanglose Reihen von Figuren ohne inneren
Schwung, aber voller Theatralik. Jedoch bedeuten
auch sie, was man an diesem Buche bequem stu-
dieren kann, jenen Umschwung von der alten unma-
lerischen und auch verhältnismässig formenarmen
Richtung zu die neuere, wo selbst die Illustration
ein Gemälde sein sollte, und wo statt der mehr oder
weniger künstlich zurecht gestutzten Formen der
Corneliusschule nun der auf die Schilderung des
Thatsächlichen gerichtete, damals für realistisch ver-
schrieene Sinn der Pilotyschule ein volles blühen-
des Leben zu scharfen trachtete. Heute wissen wir,

dass die prahlerisch gemalten
Kostüme der Pilotyaner um
totes Gebein schlottern; aber
noch immer dürren wir nicht
vergessen, dass echte Begeiste-
rung diese Künstler zum Kampfe
gegen die blutleere Karton-
malerei trieb, wir dürfen auch
nicht vergessen, dass sie —
wie fast immer die Vertreter
des Neuen in der Kunst —
sich ihren Weg gewissermassen
durch Feindesland suchen muss-
ten. Auch sie sind einmalMänner
des erklärten mutigen und er-
spriesslichen Fortschrittes ge-
wesen; und immer muss man
heute sagen: der, der diese
guten Tendenzen am reinsten
verkörpert hat, war Oberländer.
Die Beschränkung, die ihm die
Ungunst des Lebens auferlegt
hat, geriet ihm zum Heil.
Piloty hatte wenig Sinn für
gute reine Farbe: er und seine
Schule fischten ihre einst so
sehr bewunderten koloristischen
Effekte aus dem Trüben. Es handelt sich wirklich
nicht darum, dass er, wie so manchesmal behauptet
wurde und wie wohl auch noch behauptet wird,
aus dem Dunkel das Licht zu gestalten suchte,
während die Späteren die sogenannte lichte Palette
gehabt hätten. Auch das Dunkel kann klar sein:
aber bei Piloty ist die Farbe immer trüb, gleichviel
ob sie im schwersten Schatten oder im grellen
Lichte steht. Diese Irrgänge eines noch unreifen
Kolorismus brauchte Oberländer nicht mitzu-
machen. Er schuf im klar geordneten Linienstil
und er durfte ein stolz wirkendes tiefes Schwarz zur
kraftvollen Steigerung neben die reinen Partieen
von leuchtendem Weiss stellen. So konnte er die
von uns heute sehr zu Unrecht unterschätzte Freude
seiner Generation am Tand, am Witz und Humor
in reifen Kunstwerken durchsetzen. Was bei an-
deren Geschnas und Kostümschwindel ist, das ist
bei ihm echte Kunst.

Man kann heute hören und auch lesen, dass
Oberländer in die für grosse Kunst ungünstige Zeit
der Biedermeierei gehöre, dass das Wunderliche
und Verschnörkelte eines altvaterischen Humors
seinen Werken für uns viel von der Wirksamkeit

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