unter Bäumen am Horizont. Eine Studie aus Venedig
von Meyerheim, eine Photographie nach der Tafel-
runde kommen hinzu.
Dann folgt auf der nächsten Wand ein Studien-
kopf von Dürer, der Alte, der den Kopf in die
Hand stützt.
Neben dem Fenster hängt eine Kreidestudie
von 1848, ähnlich unserm Portrait von Smidt*,
ein junges Mädchen, das sich auf ein Pult stützt.
Menzel hatte die Zeichnung fixirt, dabei war das
Weiß des Rockes dunkel geworden, und er hatte
es dann mit Guasch übermalt. Die Photographie
nach dem Mann am Fenster von Meissonnier hatte
er 1868 von dem Künstler erhalten. Auf einer
dunkeln Wand hingen dann noch einige Pferde-
studien von Randel, wenn ich nicht irre, und ein
Hundekopf von Deiker.
So sieht es in dem Vorraum aus.
Menzel denkt offenbar mit großer Genugthuung
an seinen populären Erfolg in Hamburg.....
Von unserer Atelierwand erzählte er mir, er
hätte sie, um kein falsches Licht zu bekommen,
bei der Lampe und fast im Dunkeln gemalt. Auch
von dem Nymphenbad sprachen wir noch einmal.
Er sagte, er hätte sich als Landschafter immer
nur für einen Dilettanten gehalten, und da er nun
einmal als Figurenmaler gegolten, hätten ihn seine
Kollegen auf dem Gebiet auch als solchen an-
gesehen. Wir kamen dabei auf den großen Berliner
Landschafter Blechen, den er sehr verehrt.
Dann gingen wir in sein Atelier, wo ich mir noch
einmal die sehr schöne Landschaftsstudie von 1847
ansah. Menzel erzählte mir, es sei ein Blick vom
Kreuzberg nach Rixdorf. Er hätte den Vordergrund
so einfach behandelt, weil er eine Gruppe von
Kindermädchen in diese Sommerstimmung hätte
malen wollen. Er war offenbar 1846— 1850 auf
dem Wege, sich intimer mit der Landschaft zu
beschäftigen.....
Als ich die Treppe hinabstieg, stand mir der
kleine Raum, an dessen Wänden Menzel in Photo-
graphien mit schmalen schwarzen Rähmchen sein
Glaubensbekenntnis ausgesprochen, als ein neuer
Einblick in die Seele des alten Meisters vor Augen:
Michel Angelo und Schlüter, Holbein und Velasquez,
Dürer, Corot und Meissonnier. Und wie be-
scheiden, beinahe ärmlich die Einrichtung! Was
* Kleines Pastellbildnis des Schriftstellers Heinr. Smidt
von Menzel in der Hamburger Kunsthalle.
für Bedürfnisse anderer Art haben die bedeutenden
englischen Künstler! Ich dachte an das Künstler-
paradies, in dem mich Lord Leighton in London
empfangen, wo jeder Winkel ein Bild war . . . .
Bedürfnislosigkeit, Anspruchslosigkeit, das war nicht
nur bei den deutschen Kunsthistorikern der ver-
gangenen Epoche das Grundprincip der häuslichen
Umgebung, sondern auch bei den Künstlern.
Ich sitze und warte auf den Zug, daher ist
dieser Brief etwas lang gerathen.
Stockholm, Waldemarsudde, den 4. Juni 1909.
Waldemarsudde, wo ich dies schreibe, ist ein
stattliches Palais, von Boberg gebaut und mit allem
ausgestattet, was das Leben behaglich macht. Der
Prinz hat sich eine Ecke an der Südseite der großen
Thiergarteninsel ausgesucht. Sie war schon besiedelt
von Stockholmern, die auf den Felsen ihre kleinen
Sommersitze gebaut hatten. Der neue Eigenthümer
hat diese Häuser mit erworben, aber er läßt die
früheren Eigenthümer darin weiter wohnen und
redet ihnen gar nicht hinein in die Anlage und
Ausstattung ihrer Gärtchen. Sie dürfen so viele
spiegelnde Glaskugeln aufstellen, wie sie mögen
und können, wenn sie wollen, alle ihre Beete mit
großen rosa Muscheln einfassen. Der Prinz fühlt
darin nicht nur als Künstler, der er ist, sondern
auch als Mensch ganz anders als der sonstige Ge-
bildete von heute. Auf dem andern Ufer der Einfahrt
nach Stockholm, an der sein Haus liegt, stehen große
ernste Fabriken. Man fragt ihn immer, wie er das
aushalten könne, aber er liebt es gerade so, weil es
das Leben ist, und er meint, er wäre unglücklich,
wenn dort schöne Villen ständen, die das natürliche
Leben einer Landschaft aufheben. An einer neuen
Promenade in Stockholm liegt ein Quai für Segel-
schiffe, deren lange Reihe, wie sie da liegen mit
der Spitze am Quai, eng aneinander gedrängt, mit
dem wimmelnden Leben beim Laden und Löschen,
ein höchst malerisches Bild giebt. Man wollte sie
beseitigen, um eine Promenade am Wasser zu haben,
wie in Genf. Der Prinz hat bisher durchzusetzen
vermocht, daß der Quai trotz der Promenade in
Betrieb bleibt. Er findet es menschlicher, wenn
sich das Leben nicht mathematisch nach einzelnen
Functionen zerlegt.
Waldemarsudde öffnet sich ganz der Sonne.
Die italienischen und nach italienischer Art er-
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von Meyerheim, eine Photographie nach der Tafel-
runde kommen hinzu.
Dann folgt auf der nächsten Wand ein Studien-
kopf von Dürer, der Alte, der den Kopf in die
Hand stützt.
Neben dem Fenster hängt eine Kreidestudie
von 1848, ähnlich unserm Portrait von Smidt*,
ein junges Mädchen, das sich auf ein Pult stützt.
Menzel hatte die Zeichnung fixirt, dabei war das
Weiß des Rockes dunkel geworden, und er hatte
es dann mit Guasch übermalt. Die Photographie
nach dem Mann am Fenster von Meissonnier hatte
er 1868 von dem Künstler erhalten. Auf einer
dunkeln Wand hingen dann noch einige Pferde-
studien von Randel, wenn ich nicht irre, und ein
Hundekopf von Deiker.
So sieht es in dem Vorraum aus.
Menzel denkt offenbar mit großer Genugthuung
an seinen populären Erfolg in Hamburg.....
Von unserer Atelierwand erzählte er mir, er
hätte sie, um kein falsches Licht zu bekommen,
bei der Lampe und fast im Dunkeln gemalt. Auch
von dem Nymphenbad sprachen wir noch einmal.
Er sagte, er hätte sich als Landschafter immer
nur für einen Dilettanten gehalten, und da er nun
einmal als Figurenmaler gegolten, hätten ihn seine
Kollegen auf dem Gebiet auch als solchen an-
gesehen. Wir kamen dabei auf den großen Berliner
Landschafter Blechen, den er sehr verehrt.
Dann gingen wir in sein Atelier, wo ich mir noch
einmal die sehr schöne Landschaftsstudie von 1847
ansah. Menzel erzählte mir, es sei ein Blick vom
Kreuzberg nach Rixdorf. Er hätte den Vordergrund
so einfach behandelt, weil er eine Gruppe von
Kindermädchen in diese Sommerstimmung hätte
malen wollen. Er war offenbar 1846— 1850 auf
dem Wege, sich intimer mit der Landschaft zu
beschäftigen.....
Als ich die Treppe hinabstieg, stand mir der
kleine Raum, an dessen Wänden Menzel in Photo-
graphien mit schmalen schwarzen Rähmchen sein
Glaubensbekenntnis ausgesprochen, als ein neuer
Einblick in die Seele des alten Meisters vor Augen:
Michel Angelo und Schlüter, Holbein und Velasquez,
Dürer, Corot und Meissonnier. Und wie be-
scheiden, beinahe ärmlich die Einrichtung! Was
* Kleines Pastellbildnis des Schriftstellers Heinr. Smidt
von Menzel in der Hamburger Kunsthalle.
für Bedürfnisse anderer Art haben die bedeutenden
englischen Künstler! Ich dachte an das Künstler-
paradies, in dem mich Lord Leighton in London
empfangen, wo jeder Winkel ein Bild war . . . .
Bedürfnislosigkeit, Anspruchslosigkeit, das war nicht
nur bei den deutschen Kunsthistorikern der ver-
gangenen Epoche das Grundprincip der häuslichen
Umgebung, sondern auch bei den Künstlern.
Ich sitze und warte auf den Zug, daher ist
dieser Brief etwas lang gerathen.
Stockholm, Waldemarsudde, den 4. Juni 1909.
Waldemarsudde, wo ich dies schreibe, ist ein
stattliches Palais, von Boberg gebaut und mit allem
ausgestattet, was das Leben behaglich macht. Der
Prinz hat sich eine Ecke an der Südseite der großen
Thiergarteninsel ausgesucht. Sie war schon besiedelt
von Stockholmern, die auf den Felsen ihre kleinen
Sommersitze gebaut hatten. Der neue Eigenthümer
hat diese Häuser mit erworben, aber er läßt die
früheren Eigenthümer darin weiter wohnen und
redet ihnen gar nicht hinein in die Anlage und
Ausstattung ihrer Gärtchen. Sie dürfen so viele
spiegelnde Glaskugeln aufstellen, wie sie mögen
und können, wenn sie wollen, alle ihre Beete mit
großen rosa Muscheln einfassen. Der Prinz fühlt
darin nicht nur als Künstler, der er ist, sondern
auch als Mensch ganz anders als der sonstige Ge-
bildete von heute. Auf dem andern Ufer der Einfahrt
nach Stockholm, an der sein Haus liegt, stehen große
ernste Fabriken. Man fragt ihn immer, wie er das
aushalten könne, aber er liebt es gerade so, weil es
das Leben ist, und er meint, er wäre unglücklich,
wenn dort schöne Villen ständen, die das natürliche
Leben einer Landschaft aufheben. An einer neuen
Promenade in Stockholm liegt ein Quai für Segel-
schiffe, deren lange Reihe, wie sie da liegen mit
der Spitze am Quai, eng aneinander gedrängt, mit
dem wimmelnden Leben beim Laden und Löschen,
ein höchst malerisches Bild giebt. Man wollte sie
beseitigen, um eine Promenade am Wasser zu haben,
wie in Genf. Der Prinz hat bisher durchzusetzen
vermocht, daß der Quai trotz der Promenade in
Betrieb bleibt. Er findet es menschlicher, wenn
sich das Leben nicht mathematisch nach einzelnen
Functionen zerlegt.
Waldemarsudde öffnet sich ganz der Sonne.
Die italienischen und nach italienischer Art er-
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