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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 11
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0341

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EMIL ORLIK, OPIUMRAUCHER (SHANGHAI). FARBIGE ZEICHNUNG

UNSTAUSSTELLUNGEN

POTSDAMER KUNST-
SOMMER 1923

Glasmalerei und Mosaik
■p\em vor zwei Jahren gefaßten Plan, alljährlich im Sommer
^—^ in den merkwürdigen Räumen der Orangerie (im Park
von Sanssouci) eindrucksvolle Kunstausstellungen zu ver-
anstalten, haben sich die Potsdamer Veranstalter nicht ge-
wachsen gezeigt. Die erste Ausstellung war vortrefflich
und ließ gutes erwarten. Die zweite war eine lokale An-
gelegenheit. Die Ausstellung dieses Jahres, die moderner
Glasmalerei und Mosaikkunst gewidmet ist, erweist sich
grundsätzlich als ein Mißgriff.

Die Frage ist: gibt es überhaupt eine moderne Kunst
der Glasmalerei und des Mosaiks? Die Antwort lautet: es
gibt in Deutschland — und allein in Deutschland — eine
Firma, die rühmenswert geleitet wird, deren Inhaber die ehr-
würdigen alten Techniken mit einem gewissen Handwerks-
ingenium erneuert und in mühsamer Arbeit einen Kreis von
Gehilfen erzogen haben, die mit schönem Verantwortlichkeits-
gefühl sodann einigen unserer stärksten Talente Aufträge
für Kartons gegeben haben, ihnen so neue Arbeitsgebiete
erschließend, und die sich nun anschicken für die in ernster,
energischer Arbeit gewonnenen Ergebnisse das Ausland zu

interessieren. Aber es gibt nur diese eine Firma, sie allein
ist Trägerin der Idee und der Ausführung — trotz Melchior
Lechters Glasfenster; wenn sie nicht wäre, so gäbe es kaum
moderne Glasmalerei und überhaupt nicht moderne Mosaiken.
Das macht der Firma Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff,
Ehre; aber es beweist auch, daß es sich um ein Unternehmen
handelt, hinter dem ein lebendiges Zeitbedürfnis nicht steht.
Wo Zeitbedürfnisse sprechen, da ist auch Konkurrenz. Die
Zeit ist es zufrieden, daß ihr anregende, zum Teil schöne
Arbeiten in Glas und Mosaik geboten werden und sie benutzt
sie gern; ein tieferes seelisches Bedürfnis nach einer Erneue-
rung herrscht aber nicht in der Kirche, nicht in der Bau-
kunst und nicht in der Malerei. Das Kirchliche ist nirgends
— weder im Protestantismus noch im Katholizismus — raum-
haft gestaltend, die Baukunst unserer Tage ist nirgends in
lebendiger Weise sakral, und die Malerei ergreift in ihrem
dekorativen Drang diese dargebotene Gelegenheit nur, wie
sie andere Gelegenheiten ergreift. Selbst jener Teil des
Expressionismus, der eine Renaissance der kirchlichen Kunst
anstrebt, hat mit breiteren religiösen Bedürfnissen nichts zu
tun, er bewegt sich nur in einer besonderen Form des
Artistischen.

So liegen die Dinge. Die Veranstalter der „Potsdamer
Kunstsommer" hätten sich darüber klar sein müssen, bevor
sie den Plan dieser Ausstellung faßten. Sie sind es nicht

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