MAX SLEVOGT, GUTSHOF
WIEN UND PRAG
VON
EMIL UTITZ
Im Frühling ist Wien von betörender Schönheit.
Die unbeschreibliche Heiterkeit der Landschaft,
die vornehme aber warme Festlichkeit seiner Straßen
und Bauten erscheinen ganz „wirklichkeitsfern."
Und doch drückt furchtbare Wirklichkeit auf Wien,
und schlimmstes Leid hat es erduldet. Wie sich
diese Stadt politisch und wirtschaftlich einzurichten
gedenkt, scheidet hier aus. Untergehen wird sie
gewiß nicht, denn der Österreicher ist zähe und
anpassungsfähig. Vom Glück wenig verwöhnt, über-
rascht ihn kein Unheil. Schicksalsgläubig trägt er
sein Los, und aufkeimende Hoffnungen umschim-
mern düstere Alltagsstimmung. Verfliegt die eine
2
Hoffnung, taucht eine andere auf. Denn das Leben
ist immer etwas Heiliges, dem man sich gläubig
zuwendet; und eine leichte, aber sichere Ironie
schiebt das Schwere weg, schafft Atemfreiheit auch
in schwerster Beklemmung. Seltsam paart sich mit
oberflächlicher Frivolität eine Metaphysik des Ver-
trauens, die das gefährdete Gleichgewicht wieder
herstellt. Was aus der Ferne häufig als erschrecken-
der Mangel an Stolz und Würde berührt, wird
begreiflich und verständlich bei persönlicher Füh-
lungnahme. Denn Stolz, Würde, Liebe, sie klam-
mern sich an das alte Wien. Das muß hinüber-
gerettet werden in eine lichtere Zukunft. Und wenn
o
WIEN UND PRAG
VON
EMIL UTITZ
Im Frühling ist Wien von betörender Schönheit.
Die unbeschreibliche Heiterkeit der Landschaft,
die vornehme aber warme Festlichkeit seiner Straßen
und Bauten erscheinen ganz „wirklichkeitsfern."
Und doch drückt furchtbare Wirklichkeit auf Wien,
und schlimmstes Leid hat es erduldet. Wie sich
diese Stadt politisch und wirtschaftlich einzurichten
gedenkt, scheidet hier aus. Untergehen wird sie
gewiß nicht, denn der Österreicher ist zähe und
anpassungsfähig. Vom Glück wenig verwöhnt, über-
rascht ihn kein Unheil. Schicksalsgläubig trägt er
sein Los, und aufkeimende Hoffnungen umschim-
mern düstere Alltagsstimmung. Verfliegt die eine
2
Hoffnung, taucht eine andere auf. Denn das Leben
ist immer etwas Heiliges, dem man sich gläubig
zuwendet; und eine leichte, aber sichere Ironie
schiebt das Schwere weg, schafft Atemfreiheit auch
in schwerster Beklemmung. Seltsam paart sich mit
oberflächlicher Frivolität eine Metaphysik des Ver-
trauens, die das gefährdete Gleichgewicht wieder
herstellt. Was aus der Ferne häufig als erschrecken-
der Mangel an Stolz und Würde berührt, wird
begreiflich und verständlich bei persönlicher Füh-
lungnahme. Denn Stolz, Würde, Liebe, sie klam-
mern sich an das alte Wien. Das muß hinüber-
gerettet werden in eine lichtere Zukunft. Und wenn
o