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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Max Liebermann in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0250

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MAX LIEBERMANN IN MÜNCHEN.

Im August zeigte die Moderne Galerie Thannhauser in
einer liebevoll gemachten Ausstellung Arbeiten Slevogts;
im März hat sie eine große und schöne Ausstellung von
Werken Liebermanns folgen lassen. Sie fühlt die höhere
Verpflichtung des Kunsthandels. Was besonderen Hinweis
verdient, weil heute nur noch wenige Kunsthandlungen
die großen Unkosten tragen mögen oder können, die ent-
stehen, wenn ein Künstler mit einer guten Ausstellung geehrt
werden soll, weil der Kunsthändler immer seltener wird,
der sich, über den Handel hinaus, seiner Mission bewußt
bleibt. Mit dieser Ausstellung, die als Ehrung für den fünf-
undsiebenzigjährigen Liebermann gedacht war, hat die Mo-
derne Galerie Thannhauser ihrem Prestige wesentliches hinzu-
gefügt.

Für Liebermann muß es ein eigentümliches Gefühl sein,
seine Bilder in München zu wissen. In der Stadt, wo er
einige seiner wichtigsten Arbeitsjahre verbracht hat, wo der
, Jesus im Tempel" (leidenschaftlich damals umstritten), die
„Schusterwerkstatt", das „Altmännerhaus", die „Bleiche",

das „Münchner Bierkonzert" und andere Bilder, die für die
neue deutsche Kunst grundlegend wurden, gemalt worden
sind. Es liegt etwas Symbolisches über dieser Ausstellung.
Das hat Liebermann auch wohl gefühlt, und er hat darum
viel für das Gelingen getan, indem er eine Anzahl jener kost-
baren Studien hergegeben hat, die sonst bei ihm im Atelier
hängen, und indem er einige neuere Familienbilder aus-
gestellt hat, die seine Wohnung bisher noch nicht verlassen
hatten. Liebermann hat München sehr gut behandelt.

Unter den Arbeiten aus den achtziger Jahren — also aus
der Zeit, als München Liebermanns Hauptquartier war — sah
man eine mit wundervoll zarter Bestimmtheit gezeichnete,
in Grau und Rosa kostbar schimmernde Studie zu den
„Klöpplerinnen"; man sah eine Skizze zu den „Waisen-
mädchen", in der, unter der Eingebung des Augenblicks,
der „lebende Punkt" mit überraschender Knappheit getroffen
erscheint; es war ein kleines Fleischstilleben da, das als
Meisterwerk eines zurückhaltenden, aber unendlich reichen,
sinnlich schmeichelnden Kolorismus angesprochen werden

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