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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 3
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NEUE BUCHER

Über Jakob Burckhardts Sprache.

Vor kurzem hat Josef Oswald in einem bei Benno Schwabe
& Co. in Basel erschienenen Büchlein „Unbekannte Auf-
sätze J. Burckhardts aus Paris, Rom und Mailand" herausge-
geben. Es sind Feuilletons, die Burckhardt in den Jahren 1843,
1846 und 1847 für die Kölnische Zeitung geschrieben hat.
Wiegt auch der Inhalt dieser Zeitungsartikel über „die König-
liche Bibliothek in Paris", über „Italienische Erfahrungen",
über „Rom in der heiligen Woche" und über das römische
Bettlerwesen nicht schwer, so sind sie doch eine reizende
Lektüre, die zu einigen allgemeinen Beobachtungen über
Burckhardts Sprache verlockt.

Burckhardt hat in seiner Jugend viel für die Presse ge-
schrieben, (allein 33 politische Aufsätze für die Kölnische Zei-
tung wäluend seiner Tätigkeit als Redakteur der Basler
Zeitung) und er hatte Erfolg als Journalist, weil ihm von früh
an das Ideal des guten Stiles vor Augen stand. 1842 schreibt
er an Gottfried Kinkel: „ein Gelübde habe ich mir getan:
mein Leben lang einen besseren Stil schreiben zu wollen und
überhaupt mehr auf das Interessante, als auf trockene, fak-
tische Vollständigkeit auszugehen." Er wollte nicht nur von
Gelehrten gelesen werden, sondern nach dem Bekenntnis
im Vorwort seines ersten großen Buches, der Zeit Constantins
des Grossen, von „denkenden Lesern aller Stände". Dies
Publikum ist Burckhardt im Grunde erst jetzt zugefallen. Das
Geschlecht, dem der Lebende seine Meisterwerke schenkte,
achtete kaum auf ihre literarische Form, ja diese hat den
Autor sogar manchem Fachgenossen von der strengen Obser-
vanz verdächtig gemacht. Die Generation, zu der der tote
Burckhardt aus immer neuen Brief bänden, aus Nachlaßpubli-
kationen und Neudrucken seiner Erstausgaben spricht, liebt
ihn nicht zuletzt deshalb, weil er mehr als ein Gelehrter,
weil er ein großer deutscher Schriftsteller ist, sie gibt sich

willig dem Zauber seiner Sprache hin, die, hier gekühlt von
Ironie eines freien Geistes, dort durchglüht vom Ethos einer
schönen Seele, nie mit Absicht originell, stets aber vom
Grunde aus original ist.

Als Kind des sprachgewaltigen alemannischen Stammes
und als Sproß einer Familie von Kanzelrednern brachte
Burckhardt Anlage und Lust zur Wortbeherrschung mit auf
die Welt. Aus Erbe und Gabe der Natur schufen aber erst
Übung und bewußte Erziehung jenes vieltönige Instrument
der Burckhardtischen Prosa, auf dem sein Geist so souverän
zu spielen wußte. Das Bewußtsein, im Wort sein eigent-
lichstes Ausdrucksmittel zu besitzen, hat Burckhardt lange
an seine poetische Sendung glauben lassen. Nicht ohne
Glück wandelte er in dem Gedichtbändchen „E. Hämpfeli
Lieder" in den alemannischen Spuren Hebels, und das namen-
los erschienene Heftchen „Ferien — eine Herbstgabe" birgt
manche schöne Strophe von eigenem Klang. Daß Mörike
in seinem Besten Goethe ebenbürtig sei, Burckhardt hat es
schon 1870 erkannt. Wenn auch der reife Mann, seiner Gren-
zen bewußt und viel zu ehrfürchtig wahrer Kunst gegenüber
um Dilettantismus im eigenen Hause dulden zu können, die
dichterischen Versuche verbirgt, so wirkt doch die angeborene
poetische Kraft als belebendes und bildendes Element in
Burckhardts ganzem Schaffen nach und bricht manchmal
strahlend hervor. Wie wundervoll z. B. der aus dem Geiste
der Bildwelt des Rubens gefundene Vergleich: „es ist, als
hätten sich Religion, Fürstenmacht, Sage, Mythus und Poesie
aller Zeiten, dazu der Kreis der Seinigen und seines vertrauten
Umgangs, ja die elementare Natur als mächtige Tierwelt und
Landschaft vertrauensvoll an ihn gewandt, er möge sie aul
seine Adlerschwingen nehmen"!

Burckhardts Sprachbegabung machte ihn zum Plauderer
von Gottes Gnaden und zu einem der eindrucksvollsten Redner.

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