KARL WALSER, KARNEVAL
AUSGESTELLT IN DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN
NEUE BÜCHER
Hans Mackowsky. Häuser und Menschen im
alten Berlin. (Bruno Cassirer, Berlin 1923).
Von Bauten und Menschenschicksalen im alten Berlin
handelt ein vorzügliches Buch Mackowskys, des verständnis-
reichen und pietätvollen Erforschers seiner Vaterstadt. Früher
veröffentlichte Aufsätze, zum Zweck der neuen Publikation
erweitert, ergeben in ihrer Folge ein lebhaftes Bild von
Kunstsinn und Tüchtigkeit im Berlin der Zeit von 1740
etwa bis 1850, die der Verfasser die charaktervollste der
preußischen Residenz nennt. Die Geschichte des Bauwerks
erweitert sich ihm, wenn es sich um öffentliche Gebäude
handelt wie das Opernhaus, zum Bilde des kulturellen und
gesellschaftlichen Lebens, das dort gewirkt hat, wenn es
Privathäuser betrifft, zur Familiengeschichte. Als Kunst-
kenner hat er die Gabe, höchst anschaulich zu beschreiben,
als Chronist, ohne Lehrhaftigkeit zu unterhalten. Seinem
künstlerischen Blick sind Menschen und Raum, Leben und
Natur ein Untrennbares, und zwar einander eng und freund-
lich verbunden. Das Gediegene, Charaktervolle bürgerlicher
Lebensläufe, das sociable Wirken hervorragender Menschen
schildert er gern. Den Intentionen und Arbeiten der Künstler
folgt er mit dem Verständnis eines Eingeweihten. Mit einem
durch fremdes Wissen unverdorbenen Herzen setzt er sich
für das Vorzügliche ein, das er vorfindet, ohne nach dem
Fehlenden und nach mangelnden Eigenschaften zu fragen.
So ist in diesem Buche mit positivem Geiste Zeugnis
abgelegt und der Ton ist heiter und berlinisch. Nur wenn
die Perspektive der Vergänglichkeit angerührt wird, wenn
davon die Rede ist, wie die Häuser mit dem Wechsel der
Generationen ihrem Zweck entfremdet wurden, ihre Atmo-
sphäre verloren oder gar Verstümmelung erlitten, stellt sich
schmerzliche Betrachtung ein. Hier wird die Stimmung des
Chronisten, der die Zerstörung sinnvoller Einheit betrauert,
noch durch das Bewußtsein des Historikers bestärkt. Des
öfteren schweift die Betrachtung hin zur kritischen zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, während der die Ent-
wicklung des deutschen Lebensstiles sich in unserer Stadt
zum gewaltigsten Zerrbilde auswuchs. Von der Selbstuber-
363
AUSGESTELLT IN DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN
NEUE BÜCHER
Hans Mackowsky. Häuser und Menschen im
alten Berlin. (Bruno Cassirer, Berlin 1923).
Von Bauten und Menschenschicksalen im alten Berlin
handelt ein vorzügliches Buch Mackowskys, des verständnis-
reichen und pietätvollen Erforschers seiner Vaterstadt. Früher
veröffentlichte Aufsätze, zum Zweck der neuen Publikation
erweitert, ergeben in ihrer Folge ein lebhaftes Bild von
Kunstsinn und Tüchtigkeit im Berlin der Zeit von 1740
etwa bis 1850, die der Verfasser die charaktervollste der
preußischen Residenz nennt. Die Geschichte des Bauwerks
erweitert sich ihm, wenn es sich um öffentliche Gebäude
handelt wie das Opernhaus, zum Bilde des kulturellen und
gesellschaftlichen Lebens, das dort gewirkt hat, wenn es
Privathäuser betrifft, zur Familiengeschichte. Als Kunst-
kenner hat er die Gabe, höchst anschaulich zu beschreiben,
als Chronist, ohne Lehrhaftigkeit zu unterhalten. Seinem
künstlerischen Blick sind Menschen und Raum, Leben und
Natur ein Untrennbares, und zwar einander eng und freund-
lich verbunden. Das Gediegene, Charaktervolle bürgerlicher
Lebensläufe, das sociable Wirken hervorragender Menschen
schildert er gern. Den Intentionen und Arbeiten der Künstler
folgt er mit dem Verständnis eines Eingeweihten. Mit einem
durch fremdes Wissen unverdorbenen Herzen setzt er sich
für das Vorzügliche ein, das er vorfindet, ohne nach dem
Fehlenden und nach mangelnden Eigenschaften zu fragen.
So ist in diesem Buche mit positivem Geiste Zeugnis
abgelegt und der Ton ist heiter und berlinisch. Nur wenn
die Perspektive der Vergänglichkeit angerührt wird, wenn
davon die Rede ist, wie die Häuser mit dem Wechsel der
Generationen ihrem Zweck entfremdet wurden, ihre Atmo-
sphäre verloren oder gar Verstümmelung erlitten, stellt sich
schmerzliche Betrachtung ein. Hier wird die Stimmung des
Chronisten, der die Zerstörung sinnvoller Einheit betrauert,
noch durch das Bewußtsein des Historikers bestärkt. Des
öfteren schweift die Betrachtung hin zur kritischen zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, während der die Ent-
wicklung des deutschen Lebensstiles sich in unserer Stadt
zum gewaltigsten Zerrbilde auswuchs. Von der Selbstuber-
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