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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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PAUL CEZANNE, LANDSCHAFT MIT WASSERMÜHLE

NEUE BUCHER

Hans Prinzhorn, Die Bildnerei der Geistes-
kranken (Julias Springer-Verlag, Berlin 1922).

Das Thema ist das heikelste der modernen Kunstbe-
trachtung überhaupt, aber auch vielleicht eines von ihren
dringlichsten. Es ist ein Segen, daß es keiner journalistisch-
literatenhaften Begabung ausgeliefert wurde sondern einem
Manne von weitschauender Besonnenheit sowie umfassen-
der Bildung und Erfahrung als praktischer Arzt und Kunst-
forscher. Prinzhorn hat für die Heidelberger psychiatrische
Klinik eine mustergiltige Sammlung bildnerischer Irren-
arbeiten aus aller Herren Ländern zusammengebracht: auf
ihr, deren wichtigster Teil zur Abbildung gelangt, baut er
seine Untersuchungen auf. Angesichts der Fülle von Prob-
lemen, die beim Durchblättern dieser seltsam erregenden
Bilder den Betrachter bestürmen, war eingehendste, ja
breiteste Behandlung von den verschiedensten ästhetischen,
psychologischen, psychiatrischen, kunstphilosophischen,
kinder- und völkerkundlichen Gesichtspunkten her geradezu
Pflicht. Die Arbeit Prinzhorns liegt uns daher in einem

umlassenden Bande und in einer weitschichtigen Kapitel-
einteilung vor. Sie wird auf lange Zeit hinaus grundlegend
bleiben. Für den im modernen Kunstleben Stehenden
wird das Verdienst am meisten in die Augen fallen, das
in der taktvollen Überlegenheit des Verfassers beruht, wo
es gilt, die tiefgreifenden Beziehungen „schizophrenen"
Bildens zur sogen, expressionistischen Kunst auf eine For-
mel zu bringen und beides gegeneinander abzuwägen. In-
dessen davon so wenig wie von allen anderen Teilen des
ebenso gelehrten wie aktuellen Buches ist eine Mitteilung
der Ergebnisse möglich, die sofort zu einer eigenen Ab-
handlung des Referenten wachsen müßte. Es genügt zu
sagen, daß hier Geheimnisse des menschlichen Innenlebens,
deren Kunde leicht gefährlich werden könnte, von der
Hand eines Geweihten und Berufenen behutsam entschleiert
werden. Indem wir uns ihm anvertrauen, werden wir
gewiß vor den vielen Irrtümern und Wirrnissen bewahrt
bleiben, die den Unvorbereiteten hier schon an der Schwelle
bedrohen. Hartlaub.

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