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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 2
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Pauli, Gustav: Alfred Lichtwarks Briefe an die Kommission für die Verwaltung der Kunsthalle, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0064

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zogenen Architekten, die die schwedischen Land-
schlösser der Königsfamilie erbaut haben, konnten
sich, Akademiker, wie sie waren, von der für Italien
gültigen Anschauung nicht losmachen, daß man
die Sonne ausschließen müsse. Waldemarsudde,
das jeden Sonnenstrahl einfängt, hat sich nun zum
Stelldichein der ganzen königlichen Familie aus-
gebildet. Als der Prinz mir den Garten zeigte, kam
sein Bruder, Prinz Wilhelm, mit seiner Frau, und
gleich darauf erschien der König, der sich eine
halbe Stunde auf den sonnigen Terrassen ergehen
wollte.

Im Garten sind die ungeheuren Felsen, vom Eis
der Urzeit glatt und rund geschliffen, daß es aussieht,
als ob ein Mammuth oder ein Dinotherium sich mit
seinem Riesenleib von der Erde erheben wollte, ganz
unberührt geblieben. Dem Stockholmer Garten-
und Baudirector gefällt es nicht. Er hat überall in
den Anlagen der Stadt die ruhigen großen Massen
zersprengen lassen, damit es die zerklüfteten, roman-
tischen Formen giebt, die nach seiner Ästhetik die
Steine haben müssen, wenn sie natürlich wirken
sollen. Es ist überall dieselbe Misere. Ich bin über-
zeugt, man würde es bei uns auch so machen.
Auf einem Cap steht hier im Garten ein kleiner
weißer Aussichtspavillon mit Säulen, ein kleiner
Rundtempel. Von diesem Punkt genießt man nicht
nur den Anblick des herrlichen Hafens, über dessen
Masten sich die hohen Ufer erheben, man hat unter
und neben sich ganz nahe die unheimliche Welt
der Granitfelsen, wie sie Eis und Wetter seit vielen
hunderttausenden von Jahren zugerichtet haben.
Der Prinz möchte, daß in den neuen Anlagen der
Stadt ebenso schonend verfahren würde.

Nach dem Frühstück hatte der Prinz eine Sitzung
in der Ausstellung. Ich ging in's Museum, wo der
Prinz mich nachher abholen wollte. Da die Galerie
geschlossen war, begann ich beim historischen
Theil, der von der ältesten Steinzeit bis ans Ende
des achtzehnten Jahrhunderts reicht. Das Museum
ist natürlich Architektur an sich. Den unsagbaren
Schätzen, denen es dienen sollte, geht es sehr
schlecht. Für mittelalterliches Profansilber ist es
wohl die reichste Sammlung. Das Neueste für
mich war, daß schon vor dem Jahre iooo Be-
ziehungen zu China nachweisbar sind. In Bezug
auf Bertram fand ich schon allerlei. Will es aber

noch näher untersuchen. Mit dem Prinzen zu-
sammen sah ich noch einen großen Theil der
Galerie. Nach dem zweiten Frühstück war ich
allein im nordischen Museum, nachdem mir der
Prinz die Anlage gezeigt und erklärt hatte. Als
ich zuletzt in Stockholm war, stand erst der Bau.
Das Museum deckt sich an manchen Punkten mit
dem historischen Museum, das ich am Morgen ge-
sehen hatte. Es giebt eine Übersicht über die gesamte
bäuerische, bürgerliche und fürstliche Kultur des
Landes. Besser und geschmackvoller habe ich noch
kein Museum aufgestellt gesehen. Und das in einem
Bau, der gar nicht als Museum, sondern als eine
Art nationaler Fest- und Ehrenhalle gedacht war.
Das Museum sollte sich in besonderen Räumen
anschließen.

Gern hätte ich ein wenig geruht, denn die
kurzen unruhigen Nachtstunden im Schlafwagen
zählten nicht, aber der Intendant des Museums,
Herr Nilsson, der auch die „Schanze" unter sich
hat, war ein so liebenswürdiger Führer, daß ich
die Zeit verpaßte und nur eben noch zum Diner
in der Ausstellung zurecht kam. Die Antwort auf
den Toast auf die Gäste konnte ich Walter Crane zu-
schieben, den ich bei dieser Gelegenheit zum ersten
Mal sah. Ich habe nachher auf den Architekten
Boberg gesprochen, da ich von den anwesenden
Deutschen — es war eigentlich nur Geheimrath
Muthesius als Vertreter Preußens — dazu aufge-
stachelt wurde. Nach dem Diner wurde uns ein
Marionettentheater vorgeführt, dann, so um elf,
zeigte mir der Prinz auf einem Spaziergang den
Theil des Thiergartens hinter seinem Besitz mit
den schönen alten Eichen und den unberührten
Felsen. Es war eine der ersten hellen Nächte.
Wir beklagten beide, daß Kalckreuth diese Schön-
heit nicht mitgenießen konnte. Der Prinz meinte,
um diese Frühlingsmonate in Schweden auszu-
kosten, würde er gern zwei Winter das Jahr in
Kauf nehmen.

Als der Adjutant, der liebenswürdige und witzige
Baron Cederström uns ans Zubettgehen mahnte, war
es halb eins und der Morgen füllte schon die Lüfte.
Die Zeitungen hatten von Herrn v. Cederström
mein Bild für die Veröffentlichung haben wollen.
Als ich ihm nicht dienen konnte, sagte er: schadt
nicht, ich schicke ihnen meins.

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