veranschaulicht werden I Strebt in der Kunst
der Zeit Giottos und Masaccios alles nach Breite
und- Größe der Formen, da die Malerei im
Süden vom Fresco ihren Ausgangspunkt nahm,
so liegt hier der Reiz der Darstellung in der köst-
lichen Feinheit der Ausführung, in der Engigkeit
und Intimität der Auffassung, mit der die Figuren
und selbst die Landschaft wiedergegeben sind.
Denn die Tafelmalerei der van Eyck und seiner
nächsten Nachfolger hatte sich noch kaum von
der Miniaturkunst des Mittelalters losgelöst.
Wie lange sich der mittelalterliche Geist in
der nordischen Malerei erhält zu einer Zeit, als
im Süden die Renaissance schon längst auf ihrer
Höhe angelangt war, beweist die „Anbetung der
Könige" des Antwerpener Meisters von 1518,
die doch schon zu einer Zeit entstanden ist,
als Raffael seine letzten Werke malte. Bei den
spitzen scharfen Formen der Figuren wie ihrer
Kostüme, bei den schlanken Fingern und schmalen
Füßen, bei dem Uberreichtum der Ornamentik
und der Fülle der landschaftlichen Einzelheiten
empfinden wir deutlich den Geist der Spätgotik,
deren Dekorationsformen sich auch unmittelbar
in den Goldgefäßen der Könige und dem Besatz
ihrer Kostüme wiederfinden lassen und im merk-
würdigem Gegensatz zu dem Renaissancebogen
in der Architektur stehen. Charakteristisch für
das letzte Aufflammen der nordischen Gotik vor
dem Eindringen der Renaissance ist ein übertrieben
formspielerischer Sinn, ein höchstes Raffinement in
Farben und Linien, wie es die Kunst des Quinten
Massys und der niederländischen Manieristen, zu
denen der Meister unseres Bildes gehört, zeigt.
Es gehörte ein Holbein (Abb. 6) dazu, um die
nordische Malerei aus dem Überreichtum der Spät-
gotik, aus der Freude am Verschnörkelten und
Detaillierten in die Klarheit des Renaissanceempfin-
dens zu leiten. Das wundervolle Porträt der Samm-
lung Goldman, eines der Meisterwerke des Künstlers,
besitzt alle Vorzüge seiner seltenen Zeichenkunst,
seiner feinen kühlen Farbengebung, der köstlich
geschmeidigen Oberflächenbehandlung und der
überlegenen, objektiven Charakterschilderung. Die
Wiedergabe des schwarzen Kostümes, des hell-
grünen Vorhanges, der Pergamentbände mit rotem
Schnitt im Vordergrund gehören zu den Wunder-
werken der Malerei, und nur eine über das Nationale
hinausstrebende Kunst vermochte den Dargestellten
zu einem so allgemeinen Typus beherrschenden
weltklugen Wesens zu gestalten. Mit seiner kühlen
vornehmen Kunst war Holbein besonders befähigt,
Bildnisse der Aristokratie und der internationalen
Diplomatie zu malen. Und so wundern wir uns
nicht, in dem Modell einem französischen Ge-
sandten, der am englischen Hof akkreditiert war,
Jean de Dinteville, zu begegnen, derselben Persön-
lichkeit, die wir aus dem berühmten Bild Holbeins
der „Gesandten" in der Londoner Nationalgalerie
kennen.
Stand Holbein auch zur französischen Kunst
seiner Zeit in Beziehung? Hat er die Malerei der
besten französischen Porträtisten der Renaissance,
der Clouet's beeinflußt? Ein anderes bedeutsames
Werk der Sammlung Goldman, ein Porträt Franz 1.
(Abb. 7), das dem in seiner Persönlichkeit noch
immer nicht klar faßbaren Jean Clouet mit guten
Gründen zugeschrieben wird, gibt Gelegenheit die
Frage zu studieren. Jener von Holbein dargestellte
Gesandte Dinteville war auch Erzieher des jüngsten
Sohnes des französischen Königs, und da das Bild
Holbeins und das Clouets etwa gleichzeitig ent-
standen ist, dürfen wir wohl annehmen, daß der
weitgereiste Basler Meister auch mit dem fran-
zösischen Hofmaler, der Franz 1. öfters porträtierte,
bekannt war. Wer immer von beiden Malern der
Gebende war, die Technik beider Werke zeigt
eine nicht zu übersehende Verwandtschaft. Nur
ist der französische Meister in seiner Auffassung
weniger zeichnerisch als Holbein und glatter in
der Behandlung der Oberfläche. Der Emailglanz
der Malerei erinnert an die Kunst der Email-
malerei, die damals in Frankreich aufs höchste
entwickelt war. Auch die von Clouet gewählte
Form des Porträts, der knappe Brustausschnit ohne
Hände, ist bei den Meistern dieser Technik be-
sonders beliebt. In der Schärfe der Charakteristik
steht der französische Meister Holbein nur wenig
nach. Der große französische König, den auch
Tizians Pinsel verherrlichte, ist in seiner seltsamen
Mischung von Schläue, Sinnlichkeit und Willens-
kraft mit großer Prägnanz erfaßt. Dabei gibt die
Malerei, die durch den feinen originalen Rahmen
noch gehoben wird, in der köstlichen Detail-
schilderung des Pelzwerks, des Baretts und der
Juwelen den höfischen Glanz, der den König um-
strahlte, vortrefflich wieder.
(Schluß folgt.)
156
der Zeit Giottos und Masaccios alles nach Breite
und- Größe der Formen, da die Malerei im
Süden vom Fresco ihren Ausgangspunkt nahm,
so liegt hier der Reiz der Darstellung in der köst-
lichen Feinheit der Ausführung, in der Engigkeit
und Intimität der Auffassung, mit der die Figuren
und selbst die Landschaft wiedergegeben sind.
Denn die Tafelmalerei der van Eyck und seiner
nächsten Nachfolger hatte sich noch kaum von
der Miniaturkunst des Mittelalters losgelöst.
Wie lange sich der mittelalterliche Geist in
der nordischen Malerei erhält zu einer Zeit, als
im Süden die Renaissance schon längst auf ihrer
Höhe angelangt war, beweist die „Anbetung der
Könige" des Antwerpener Meisters von 1518,
die doch schon zu einer Zeit entstanden ist,
als Raffael seine letzten Werke malte. Bei den
spitzen scharfen Formen der Figuren wie ihrer
Kostüme, bei den schlanken Fingern und schmalen
Füßen, bei dem Uberreichtum der Ornamentik
und der Fülle der landschaftlichen Einzelheiten
empfinden wir deutlich den Geist der Spätgotik,
deren Dekorationsformen sich auch unmittelbar
in den Goldgefäßen der Könige und dem Besatz
ihrer Kostüme wiederfinden lassen und im merk-
würdigem Gegensatz zu dem Renaissancebogen
in der Architektur stehen. Charakteristisch für
das letzte Aufflammen der nordischen Gotik vor
dem Eindringen der Renaissance ist ein übertrieben
formspielerischer Sinn, ein höchstes Raffinement in
Farben und Linien, wie es die Kunst des Quinten
Massys und der niederländischen Manieristen, zu
denen der Meister unseres Bildes gehört, zeigt.
Es gehörte ein Holbein (Abb. 6) dazu, um die
nordische Malerei aus dem Überreichtum der Spät-
gotik, aus der Freude am Verschnörkelten und
Detaillierten in die Klarheit des Renaissanceempfin-
dens zu leiten. Das wundervolle Porträt der Samm-
lung Goldman, eines der Meisterwerke des Künstlers,
besitzt alle Vorzüge seiner seltenen Zeichenkunst,
seiner feinen kühlen Farbengebung, der köstlich
geschmeidigen Oberflächenbehandlung und der
überlegenen, objektiven Charakterschilderung. Die
Wiedergabe des schwarzen Kostümes, des hell-
grünen Vorhanges, der Pergamentbände mit rotem
Schnitt im Vordergrund gehören zu den Wunder-
werken der Malerei, und nur eine über das Nationale
hinausstrebende Kunst vermochte den Dargestellten
zu einem so allgemeinen Typus beherrschenden
weltklugen Wesens zu gestalten. Mit seiner kühlen
vornehmen Kunst war Holbein besonders befähigt,
Bildnisse der Aristokratie und der internationalen
Diplomatie zu malen. Und so wundern wir uns
nicht, in dem Modell einem französischen Ge-
sandten, der am englischen Hof akkreditiert war,
Jean de Dinteville, zu begegnen, derselben Persön-
lichkeit, die wir aus dem berühmten Bild Holbeins
der „Gesandten" in der Londoner Nationalgalerie
kennen.
Stand Holbein auch zur französischen Kunst
seiner Zeit in Beziehung? Hat er die Malerei der
besten französischen Porträtisten der Renaissance,
der Clouet's beeinflußt? Ein anderes bedeutsames
Werk der Sammlung Goldman, ein Porträt Franz 1.
(Abb. 7), das dem in seiner Persönlichkeit noch
immer nicht klar faßbaren Jean Clouet mit guten
Gründen zugeschrieben wird, gibt Gelegenheit die
Frage zu studieren. Jener von Holbein dargestellte
Gesandte Dinteville war auch Erzieher des jüngsten
Sohnes des französischen Königs, und da das Bild
Holbeins und das Clouets etwa gleichzeitig ent-
standen ist, dürfen wir wohl annehmen, daß der
weitgereiste Basler Meister auch mit dem fran-
zösischen Hofmaler, der Franz 1. öfters porträtierte,
bekannt war. Wer immer von beiden Malern der
Gebende war, die Technik beider Werke zeigt
eine nicht zu übersehende Verwandtschaft. Nur
ist der französische Meister in seiner Auffassung
weniger zeichnerisch als Holbein und glatter in
der Behandlung der Oberfläche. Der Emailglanz
der Malerei erinnert an die Kunst der Email-
malerei, die damals in Frankreich aufs höchste
entwickelt war. Auch die von Clouet gewählte
Form des Porträts, der knappe Brustausschnit ohne
Hände, ist bei den Meistern dieser Technik be-
sonders beliebt. In der Schärfe der Charakteristik
steht der französische Meister Holbein nur wenig
nach. Der große französische König, den auch
Tizians Pinsel verherrlichte, ist in seiner seltsamen
Mischung von Schläue, Sinnlichkeit und Willens-
kraft mit großer Prägnanz erfaßt. Dabei gibt die
Malerei, die durch den feinen originalen Rahmen
noch gehoben wird, in der köstlichen Detail-
schilderung des Pelzwerks, des Baretts und der
Juwelen den höfischen Glanz, der den König um-
strahlte, vortrefflich wieder.
(Schluß folgt.)
156