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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

DOI issue:
Heft 7
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Hancke, Erich: August Gaul
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0210

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AUGUST GAUL, TRABENDER ESEL. BRONZE

MIT ERLAUBNIS DES KUNSTSALONS PAUL CASSIRER, BERLIN

Freilich waren wohl die Beziehungen zu der
ihn umgebenden Kunst nicht stark; war er doch
selbst ein Fremdling in dieser Kunst. Sie war
auf das Temperament des einzelnen gestellt, und
Gaul kannte solches Temperament nicht. Vor allem
im schlechten Sinne nicht, aber auch nicht im
guten. Alles genialisch Blendende lag ihm fern.
Seine angefangenen Arbeiten waren unscheinbar;
überraschend war erst das fertige Werk. Allmählich,
mit stählerner Energie arbeitete er den künstlerischen
Gedanken heraus, mit einer Zähigkeit, in der viel
Eigensinn steckte; überließ er doch trotz seiner
schwachen Konstitution bei seinen Steinfiguren nicht
einmal die gröbsten Vorarbeiten einem anderen.
Und das langsam und mühevoll entstandene Werk
besaß doch schließlich die leichte Anmut, die Selbst-
verständlichkeit und den Glanz, die den Gedanken
an Mühe und Arbeit nicht aufkommen lassen.
Sein Talent war wundervoll organisiert; es war
harmonisch, schöpferische und kritische Fähigkeiten
hielten sich darin vollkommen die Wage. Er war
ein denkender Künstler und seine durchdachtesten

Werke sind zugleich seine freiesten. Aber die
Leidenschaft, die fortreißt, die das Dämonische
hervorbringt, besaß er nicht; was ihn zum Schaffen
antrieb, war eine ruhige Freude an der Natur und
an dem sich gestaltenden Material. Wie stark,
unkompliziert und von allen Hemmungen frei
muß dieser Antrieb jedoch gewesen sein, um aus
ihm einen Künstler zu machen, der sich so eigen-
tümlich aus seiner Umgebung heraushebt, daß man
seine Erscheinung in unsrer Zeit nur schwer zu
erklären vermag!

Den ersten Erfolg hatte Gaul in der Sezession
mit seiner großen Bronzelöwin, die durch Ein-
fachheit des Stils, ungewöhnliches Können und
Schönheit der Materialbehandlung eine starke
Wirkung ausübte. Daß Gaul sich offensichtlich an
die Plastik der alten Ägypter anlehnte, für welche
damals ein lebhaftes Interesse aufkam, gab dem
Erfolg etwas Sensationelles, machte, daß das Werk
so einschlug. Aber nicht diese Löwin, noch die
ähnlichen Werke, die ihr folgten, haben Gauls
Ruf dauernd begründet, die Könige des Tierreichs

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