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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Erste Allgemeine Sitzung
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Lamprecht, Karl: Einführung in die Ausstellung von parallelen Entwicklungen in der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0081

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Lamprecht, Einführung· in die Ausstellung v. parall. Entwickl. in d. bild. Kunst 75

Karl Lamprecht:
Einführung in die Ausstellung von parallelen Entwick-
lungen in der bildenden Kunst
Im Jahre 1914 wird in Leipzig eine Internationale Ausstellung für Buch-
gewerbe und Graphik stattfinden.
Innerhalb der vielen Gebiete, welche diese umschließt, hat sich als
eines der größten und vielleicht auch interessantesten die kulturhistorische
Abteilung herausgestellt.
Nun sind Buchgewerbe und Graphik sehr komplizierte kulturgeschicht-
liche Begriffe. Es treffen sich in ihnen Tendenzen oberster geistiger, speziell
kunstgeschichtlicher Entwicklung und Tendenzen der Wirtschaftsgeschichte
und machen selbst für hohe Kulturzeitalter die Abgrenzung des Materials
für eine geschichtliche Ausstellung schwierig. Was aber noch bedenklicher
ist: für die niedrigen Kulturzeitalter verschwindet überhaupt der Begriff
des Buchgewerbes, ja fast auch der Begriff der Graphik, und an ihrer Stelle
treten andere Erscheinungen auf, welche dazu zwingen, für die Gesamt-
entwicklung auch der höheren Kulturzeitalter einen weiteren Begriffs-
zusammenhang aufzusuchen als den unmittelbar mit Buchgewerbe und
Graphik gegebenen. Folgt man den Forderungen, welche sich so für die
wissenschaftliche Durchdringung des Stoffes der kulturgeschichtlichen
Abteilung ergeben, so endet man bei der Vorstellung, daß Graphik wie Buch-
gewerbe nur eine, wenn auch die wichtigste Form darstellen für das mensch-
liche Bedürfnis, Raum und Zeit über die nächst gegebenen Voraussetzungen
hinaus zu bewältigen. Bewältigung irdischer Raumverhältnisse und
geschichtlicher Zeitverhältnisse wird mithin recht eigentlich das Thema einer
Ausstellung, wie sie in Leipzig durchgeführt werden soll.
Mit der Bewältigung von Raum und Zeit sind wir in der Tat auf die Sohle
des kulturgeschichtlichen Verständnisses gelangt, denn eben sie ist ein
elementares Bedürfnis jeder menschlichen Gemeinschaft, und eben durch
sie unterscheidet sich die Geschichte der Menschheit von der anderer Lebe-
wesen, wenn auch schon bei Pflanzen und Tieren primitive Ansätze zu ihr
vorhanden sind. Wenn man nun erwägt, daß die Bewältigung von Raum
und Zeit als Herstellung von Verkehrsmöglichkeiten räumlich oder zeitlich
entfernt voneinander lebender Menschen ganz an erster Stelle Aufgabe des
Wirtschaftslebens ist, so ergibt sich, daß eine erste Anordnung der kultur-
geschichtlichen Ausstellung wirtschaftsgeschichtlichen Prinzipien folgen
muß. Daneben aber drängt sich doch zu gleicher Zeit für die Form der
Mitteilung über Raum und Zeit hin die kunstgeschichtliche Betrachtung auf,
ja wird zur führenden, insoweit die Schrift als Verständigungsmittel primi-
tiver wie hoher Kulturen sich als ursprünglich mit der künstlerischen Dar-
stellung verbunden, wenn nicht identisch erweist.
Nach alledem lag es in der Richtung einer wirklich kulturgeschichtlichen
Durchbildung der Ausstellung, nach den strengen Erfordernissen der Ent-
wicklung wirtschafts- und kunstgeschichtlicher Perioden zugleich diese
Erzeugnisse anzuordnen und so eine Entwicklungsgeschichte der mensch-
 
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