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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung IV
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Penkert, Anton: Die musikalische Forschung von Witz und Humor
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0488

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482

Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

Anton Penkert:
Die musikalische Forschung von Witz und Humor1)
Erlauben Sie mir, daß ich zur allgemeinen Skizzierung des komischen
Prozesses ein Beispiel aus Lipps' „Komik und Humor“, dessen Ansichten
ich mich überhaupt anschließe, in gekürzter Form verlese.
„Ein wichtiger Besuch wird mir angekündigt. In dem Augenblick,
in dem der Besuch kommen soll, höre ich draußen Schritte; die Türe
öffnet sich; es tritt jemand herein. Mit jedem dieser Momente steigert
sich die Erwartung. Die Person, die eintritt, i s t für mich, ehe ich sie
sehe, die angekündigte. Nun tritt in Wirklichkeit ein Bettler ein.“
An diesem Beispiel zeigen sich in schneller Folge alle dem Ablauf
des komischen Vorganges eigenen Elemente: ein leichter, ungehinderter
Vorstellungsabfluß, in der Erwartung von etwas Bedeutungsvollem; eine
plötzliche Stauung beim Eintritt des Bedeutungsvollen, auf das sich die
Seele eingestellt hatte; schließlich ein Hin- und Hergehen der seelischen
Bewegung innerhalb dieser Momente, wobei nunmehr zeitlich bald das
erwartete Große, bald das eingetretene Nichtige voransteht. Diesen Verlauf
kann man mehr oder weniger deutlich in allen Arten des Komischen ver-
folgen, der subjektiven wie der objektiven Komik, am Wortwitz, am witzigen
Urteil oder Schluß, wie in jeder naiven oder humoristischen Art zu denken
oder zu handeln.
Werden diese äußerst charakteristischen psychischen Phänomene auch
künstlerisch geformt? Zeigen sie sich — was uns heute angeht — in dem
unermeßlich weiten Gebiet der Tonsprache? Gibt es parallele Erscheinun-
gen zum Wortwitz und witzige Beziehungen zwischen den einzelnen musi-
kalischen Gedankeneinheiten, wie sie das witzige Urteil charakterisieren?
Läßt sich der Humor musikalisch formen und nachweisen?
Es handelt sich demgemäß um die Beobachtung von Melodien und
Themen, von Harmonien und Rhythmen, von dynamischen und agogischen
Erscheinungen und um die Eignung der kleineren und größeren Formen
musikalischen Sinnens und Denkens zur Realisierung witziger oder humo-
ristischer Gedanken und Stimmungen. Lamprecht schreibt in dem ersten
Ergänzungsband seiner deutschen Geschichte: „Die Darstellung der Ent-

*) Der Vortrag wurde durch Beispiele aus den angeführten Kompositionen
am Klavier erläutert.
 
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