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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung IV
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Moos, Paul: Über den gegenwärtigen Stand der Musikästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0422

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416

Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

Abteilung IV
7. Oktober, nachmittags 3 Uhr
Verhandlungsleiter: Herr Schering
Paul Moos:
Über den gegenwärtigen Stand der Musikästhetik
Um einen Überblick zu geben über den gegenwärtigen Stand der
Musikästhetik, gliedere ich den Stoff in sieben Teile:
1. Die b i ο 1 o g i s c h - s e n s u a 1 i s t i s c h e Ästhetik
Karl Groos führt in seiner „Einleitung in die Ästhetik“, 1892, die
musikalischen Intervalle mit Herbert Spencer auf den Tonfall des gewöhn-
lichen Sprechens zurück und will nun auch alle instrumentale Musik auf-
gefaßt wissen nach Art der menschlichen Stimmgebung. In den „Spielen
der Menschen“, 1899, legt Groos alsdann besonderes Gewicht auf die
imitatorischen Einstellungen beim Hören von Musik. Dabei hat er nicht
nur Wirkungen der Assoziation im Auge, sondern tatsächliche motorische
Vorgänge in unserem Körper. In erster Linie glaubt er die Atembewegung
und feine Spannungen im Kehlkopf und Gaumen beteiligt. Daneben hebt
er die Analogie der Tonbewegung mit räumlichen Bewegungen hervor
und nimmt zugleich die Theorie Spencers in einer modifizierten Weise
wieder auf. Er ist immer noch geneigt, den musikalischen Ton überhaupt
als Stimme, als Gefühls- und Willensäußerung aufzufassen. Auf Grund
dieser Voraussetzungen glaubt er neben der Analogie der Melodie mit
einer angenehmen räumlichen Bewegung noch diejenige mit einer
angenehmen stimmlichen Äußerung innerer Gemütsbewegungen konsta-
tieren zu dürfen. Von diesen beiden Analogieen sagt er, daß sie zu
einer untrennbaren Gesamtwirkung verschmelzen und so den Ver-
gleich der Melodie mit einer tanzenden Stimme rechtfertigen. An
anderer Stelle hebt Groos zwar selbst hervor, daß die Melodie im Grunde
viel mehr ist als ein bloßer Tanz von Tönen, daß sie sich als eine Art von
Sprache erweist, in der die innersten und dunkelsten Regungen der Seele
zum Ausdruck gelangen. Dies kann ihn aber nicht hindern, den männ-
lichen Charakter Bachscher Melodien darauf zurückzuführen, daß die Ton-
 
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