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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Zweite Allgemiene Sitzung
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Basch, Victor: Die Objektivität des Schönen
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0089

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Basch, Die Objektivität des Schönen

Zweite Allgemeine Sitzung
9. Oktober, vormittags 10 Uhr
Verhandlungsleiter: Herr Th. Ziehen
Victor Basch:
Die Objektivität des Schönen
Die Frage der Objektivität des Schönen oder vielmehr des Objektivis-
mus im Ästhetischen ist eine alte. Schon Kant stellt sie auf, aber löst sie
nicht. Heute, wo die Einfühlungstheorie solch großen Einfluß gewonnen,
drängt sie sich dringender als je auf. Ist es das Ich, das ich in das Objekt
einfühle, welches ich in demselben wiederfinde, oder, wenn ich mich in ein
Objekt einfühle, finde ich in demselben etwas anderes als mein Ich, etwas
Objektives, das den Inhalt der Einfühlung ausmacht und deren Form und
Grad bestimmt?
Um diese Frage zu lösen, müssen wir erstens das Ästhetische überhaupt
von den verschiedenen Verkörperungen des Ästhetischen — Schönheit,
Erhabenheit usw. —, zweitens die Natur von der Kunst trennen.
1. Das Ästhetische überhaupt ist ein besonderes Verhalten des
Menschen gegenüber den Dingen.
Der Mensch kann den Dingen gegenüber eine dreifache Stellung
einnehmen.
a) Er will die Dinge erkennen, in ihr inneres Wesen eindringen, sie
in ihm schon Bekanntes integrieren.
b) Er will die Dinge zu gewissen Zwecken benutzen, zu sittlichen
oder eigennützigen Zwecken.
c) Er kann endlich die Dinge weder in ihrem Wesen erkennen, noch
sie zu seinen moralischen oder eigennützigen Zwecken ausbeuten wollen,
sondern sie nur betrachten, ihre Form auffassen, ihre äußere Erscheinung
berücksichtigen, so wie sich dieselbe seiner Anschauung darbietet:
dies ist das ästhetische Verhalten.
Dieses Verhalten hängt ganz und gar von uns ab,
ist absolut subjektiv. Die Betrachtung schafft das ästhetische
Gebiet. Das Ästhetische ist nicht, wie Kant vom Schönen sagt, eine Gunst,
die uns die Natur gewährt, sondern die wir der Natur gewähren. Wenn wir

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