Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

DOI Heft:
Abteilung I
DOI Artikel:
Hamann, Richard: Allgemeine Kunstwissenschaft und Ästhetik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0113

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hamann, Allgemeine Kunstwissenschaft und Ästhetik

107

Richard Hamann:
Allgemeine Kunstwissenschaft und Ästhetik
Da von Dr. Utitz bereits das Verhältnis von Allgemeiner Kunstwissen-
schaft zur Ästhetik in einem Sinne behandelt wurde, mit dessen Ergebnis
ich im wesentlichen einverstanden bin, sei hier mehr auf das Verhältnis
der Allgemeinen Kunstwissenschaft und Ästhetik zur Kunstgeschichte der
Nachdruck gelegt. Was ist das Wesen, welches sind die Aufgaben einer
allgemeinen Kunstwissenschaft, was leistet sie für die Kunstgeschichte und
was empfängt sie von ihr, und ist sie mit Ästhetik identisch oder wie ver-
halten sich Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft zueinander? Das sind
die Fragen, die zu beantworten sind.
Sie werden zunächst beantwortet durch eine Prinzipien-Wissenschaft, die
selbst besser nicht allgemeine Kunstwissenschaft heiße, sondern als ein Teil
der Erkenntnistheorie die Besonderheit der Begriffsbildung oder der spezifi-
schen Auffassung der Phänomene in der Kunstwissenschaft, Ästhetik und
Geschichte erläutert und so die besonderen Inhalte, mit denen es diese
Wissenschaften zu tun haben, erst begründet. Die besondere Synthese,
durch die einzelne Sinnesdaten zu künstlerischen, ästhetischen und
geschichtlichen Tatsachen werden, ist das Problem, das von der Erkenntnis-
theorie, die bisher einseitig nur die naturwissenschaftliche Objektivierung
untersucht hat, noch kaum angegriffen ist. Nur daß im Gegensatz zu der
Wirklichkeit, die die naturwissenschaftliche Begriffsbildung umfaßt, Begriffe
von geistigen Inhalten bestehen, die aber durch diesen Gegensatz als
unwirklich entwertet scheinen, ist wohl allgemein anerkannt. Man hat dann
von einer anderen Art von Wirklichkeit, der des Sinnes oder der Bedeutung
gesprochen. Besser würde es sein, um die geistigen Auffassungen den natur-
wissenschaftlichen gleichzustellen, von den Phänomenen auszugehen und
auch die Wirklichkeit nur als eine bestimmte Art von Bedeutung
anzusehen, die durch die Deutung oder Beziehung der Phänomene
auf motorisch-praktische Tätigkeit des Menschen zustande kommt. Je
nach der Beziehung der Phänomene auf andere als diese praktischen
Verhaltungen können die Phänomene auch andere als „wirkliche"
oder dingliche Bedeutung erlangen und so aus Naturobjekten zu
ethischen, ästhetischen, religiösen oder künstlerischen Inhalten werden.
Nur unsere im allgemeinen auf die dingliche Auffassung zielenden
Begriffe nötigen uns, die ethische, ästhetische, künstlerische Bedeutung dem
Ding wie eine Eigenschaft zuzuschreiben, anstatt diese Bedeutungen von
den dinglichen loszulösen und zu selbständigen Begriffen von ästhetischen,
ethischen, künstlerischen Tatbeständen auszubilden.
Beim künstlerischen und mehr noch beim ästhetischen, zum Teil mit
künstlerischem zusammenfallenden Tatbestand kann die dingliche Bedeu-
tung ganz zurücktreten, und es kann nun schon in der reinen Perzeption des
 
Annotationen