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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung I
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Utitz, Emil: Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0108

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102

Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

Abteilung I
7. Oktober, nachmittags 3 Uhr
Verhandlungsleiter: Herr Cornelius, von 4 Uhr ab Herr Erhardt
Emil Utitz:
Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft ϋ
Das Problem „Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft“ besteht
eigentlich nicht für alle jene, welche die allgemeine Kunstwissenschaft als
einen Teil der Ästhetik betrachten, oder umgekehrt die Ästhetik als einen
Teil der allgemeinen Kunstwissenschaft. Aber das Übersehen dieses Pro-
blems rächt sich auch bitter genug, denn im ersteren — ungleich häufigeren
— Fall kann folgerichtig gar nicht die Frage aufgeworfen werden, ob die
Kunst in ihrem Sein und Werden, in der Gesetzmäßigkeit ihrer Entwicklung,
in ihren Wirkungen und Zielen auch von außerästhetischen Motiven
bestimmt wird. Erforscht wird lediglich die ästhetische Komponente der
Kunst in der ungeprüften Annahme, in ihr erschöpfe sich die Gesamtheit
der Kunst oder jedenfalls doch ihr eigentümliches Wesen. Hier wird die
Kunst um ihr Sonderrecht verkürzt; man sucht sie ins Netz ästhetischer
Gesetze und Forderungen einzufangen, damit bleiben aber ihre wichtigsten
Fragen offen und ungelöst. Strebt man jedoch von der entgegengesetzten
Seite her, das Ästhetische aus den verschiedenen Formen des Kunstgenusses
zu gewinnen, in der Meinung, auf diese Weise den sicheren Boden der
Erfahrungen nicht zu verlassen, so krankt die ganze Anschauung an dem
methodischen Mangel, daß sie ohne weiteres den Kunstgenuß als rein
ästhetische Ausprägung annimmt oder mindestens das Ästhetische als den
in jedem Kunstgenuß gleichbleibenden Faktor. Dabei vergessen die Ver-
treter dieser Lehre, daß solche Fragen — wie weit der Kunstgenuß
ästhetisch sei und ob das Ästhetische das einigende Band in den verschie-
densten Formen des Kunstgenießens bilde — doch nur dann ernsthaft
geprüft werden können, wenn durch eine vorhergehende Wesensunter-

x) Der Auffassung, die dieser Vortrag verficht, nähern sich bereits meine
Abhandlung über „Außerästhetische Faktoren im Kunstgenuß“ (Zeitschrift für
Ästhetik u. allgem. Kunstwiss. VII 4) und mein Sammelbericht im ersten Bande
der Jahrbücher der Philosophie. Die eingehende Rechtfertigung und Durch-
führung erfolgt im ersten Teil meiner „Grundlegung der allgemeinen Kunst-
wissenschaft“, die demnächst im Verlage von Ferdinand Enke zu Stuttgart
erscheinen wird.
 
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