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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung I
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Utitz, Emil: Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0109

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Utitz, Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft

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suchung eine Verständigung über den Charakter des Ästhetischen erzielt
ist. Ohne diese Voraussetzung ist der Erfolg meist eine Auffassung des
Ästhetischen, die entweder überhaupt keine Anwendung über die Kunst
hinaus zuläßt oder selbst innerhalb dieser lediglich bestimmten Richtungen
und Strömungen angepaßt scheint, und die eigentlich ästhetische Merkmale
mit spezifischen Kunstkriterien verwechselt. Die Unhaltbarkeit und Unver-
träglichkeit dieser Zustände mußten immer fühlbarer und peinigender
werden, je mehr die Forscher im weiteren Verfolg ihrer Arbeiten von den
Prinzipalaufstellungen zu den wirklichen Kunstfragen vordrangen und hier
nun aber nicht weiter vordringen konnten. Der praktische Kunstbetrieb
schien von ganz anderen Mächten beherrscht, als nach der Ästhetik zu
erwarten war, ja im schroffsten Widerspruch zu ihr. Ein bekannter Ästhetiker
lehrt z. B., es sei besser, zur Wahrung des rein ästhetischen Musikgenießens
mit der Technik der Instrumente nicht vertraut zu sein, weil sonst das gründ-
liche Verständnis der Leistung die Aufmerksamkeit leicht so in Anspruch
nehme, daß die einfache Hingabe an die dargebotenen Eindrücke darunter
leide. Schroffer kann gar nicht der Gegensatz des Schlichtästhetischen zum
Künstlerischen zum Ausdruck gelangen. Es gehört — scheinbar — mit zu
den wichtigsten Kunsteinsichten, daß alle Kunst Gestaltung ist und aus den
Gestaltungsmitteln heraus nicht nur gewürdigt, sondern auch betrachtet
werden müsse, und daß kein anderer Weg zu ihr führe. Wenn also die
Ästhetik in voller, eiserner Konsequenz — und nicht etwa durch einen
voreiligen Irrtum — an einer so entscheidenden Frage scheitert, versuchte
man es häufig mit einer Art — wenn ich so sagen darf — hausgemachter
Ästhetik, die nicht ihren Ausgangspunkt von philosophischen oder psycho-
logischen Erwägungen hernahm, sondern von gewissen Kunstbedürfnissen
ausging und eine Theorie zusammenzimmerte, die den gerade vorliegenden
Fragen gerecht zu werden trachtete. Aber auf diese mehr vom Zufall als
von einem einheitlichen Plan regierte Weise konnte keine groß angelegte,
in ihren Grundlagen gesicherte, in ihren Methoden und Fragen durch-
gearbeitete Wissenschaft entstehen. Dazu bedurfte es erst einer kritischen
Besinnung über das wahre Verhältnis der Ästhetik zur allgemeinen Kunst-
wissenschaft, und diese Besinnung hat nun verschiedene Lehren gezeitigt,
die sicherlich einen Fortschritt bedeuten, ohne aber die eigentlichen
Schwierigkeiten prinzipiell zu beheben. Jedenfalls muß den Ausgangspunkt
eine Wesensuntersuchung der Kunst bilden; denn erst wenn sich ihr Wesen
mir offenbart hat, kann in exakt wissenschaftlicher Weise über ihr Verhältnis
zum Ästhetischen gehandelt werden. Am naheliegendsten dünkt es wohl,
die Kunst auf die Darstellung ästhetischer Werte festlegen zu wollen. Aber
auch bei einer Maschine liegt Gestaltung vor, und ästhetischer Wert vermag
ihr ebenfalls zu eignen. Aber die Maschine verlangt doch nicht in erster
Linie als ästhetisches Gebilde gewertet zu werden, sondern als praktisches
Werkzeug im Hinblick auf ganz bestimmte Zwecke. Ist sie also vielleicht
nur im Nebenamt ein „Kunstwerk“? Nein. Das Blanke, Glänzende, das
Spiel des Lichtes auf dem Metall, das uns gefällt, hat überhaupt nichts mit
Darstellung zu tun und ist einfache Wirklichkeit, die ästhetisch genossen
 
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