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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung II
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Weese, Artur: Die ästhetischen Prinzipien der Wandmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0282

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276

Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

Artur Weese:
Die ästhetischen Prinzipien der Wandmalerei
Die Wandmalerei ist Wandschmuck. Es ist für unsere Betrachtung
ganz gleichgültig, ob dieser Schmuck in Freskotechnik, Mosaik, Plattenbelag,
in gewirkten Teppichen oder sonst irgendeiner zeichnerischen und male-
rischen Form erfolgt, wenn wir auch hauptsächlich die Malerei auf nassem
Kalkbewurf im Auge behalten werden.
Immer aber hängt der Wandschmuck, wie das Wort richtig bezeichnet,
von der Wandfläche ab. Diese aber ist entweder ein Teil der raumumschlie-
ßenden Mauer beim Innenraum oder die Außenfläche eines raumgestalten-
den Bauwerkes beim Außenbau. Auf jeden Fall gehört die Wandfläche
als Raumgrenze zum Raum selbst, mag er nun ein künstlich geschaffener
Innenraum sein oder der allgemeine Raum, gegen den sich das Bauwerk
mit seiner plastischen Form abhebt und isoliert.
Das Wandgemälde ist auf die Wand aufgetragen und bildet einen
integrierenden Teil ihrer Erscheinung, wobei der konstruktive Zweck der
Mauer einstweilen außer Betracht bleiben soll. Die Hauptsache ist, daß die
Mauerebene die erste Daseinsbedingung und den materiellen Grund des
Wandgemäldes bildet.
Nun ist der Zweck der Mauer ein doppelter: einmal der der Raum-
umfassung, wobei sie die äußere Form, gleichsam die Haut des Mauer-
körpers bildet. Sie ist gleich den Brettern, aus denen die Kiste besteht.
Dann aber ist sie der stützende und tragende Teil der auflagernden Decken-
konstruktion, also des Balken- und Sparrenwerkes für ein Dach, oder der
Träger einer Flachdecke, eines Gewölbes, einer Kuppel oder sonst irgend-
welcher Form der oberen Raumabschließung.
Aus diesem konstruktiven Zwecke der Mauer ergeben sich zwei Rich-
tungsmomente für die Kräfte, die in ihnen statisch oder mechanisch wirken
oder ideell zur Ausübung kommen: die horizontale Breitenrichtung und die
vertikale Höhenrichtung.
Die künstlerische Logik wird daher auf diese Funktion der Kräfte auch
bei der illusionistischen Aufgabe der Wandmalerei oder -bekleidung Rück-
sicht nehmen müssen, wenn nicht ein besonderer Dispens vorliegt.
Es ist der natürliche Zwang zur Flächengestaltung und Flächen-
bewahrung, der sich aus dieser primären Aufgabe der Mauer- und Wand-
bemalung ergibt. Da die Flächenbegrenzung der Mauer nichts anderes
ist als eine Ebene, so hat die Wandmalerei nichts anderes zu erfüllen, als
den konstruktiven Zweck der Mauer in dem Charakter ihrer Malereien fest-
zuhalten. Der Sprachgebrauch selbst erkennt diesen ursprünglichen Zweck
 
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