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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung II
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Everth, Erich: Bildformat und Komposition
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0305

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Everth, Bildformat und Komposition

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eine Silhouette stark spricht und durch den Rahmen betont, „unter-
strichen“ oder seitlich „angestrichen“ wird. Es wirkt also sicherlich mit,
auch wenn es nicht sonderlich beachtet wird. Wenn nun vom Innern her
durch allerlei feine Bezüge auf die Formatlinie hingewiesen wird, so wird
zweierlei in der Gesamtwirkung verstärkt. Die Formatlinie, die ja so gut
ihren Ausdruck und ihren Gefühlston hat wie andere Formen im Werke,
kann nun entsprechende Ausdrucksmomente des Bildes selber verstärken,
namentlich durch Ähnlichkeit der Stimmung. Durch Ähnlichkeit und
Kontrast aber kann sie zweitens allerlei Formen im Bilde besonders hervor-
heben, die man nun deutlicher heraussieht, denn man sucht ja
unwillkürlich nach Ähnlichkeit und Kontrast im Bilde. So wird ein recht-
winkliges Format die Senkrechte und Horizontale im Bilde durch Ähnlichkeit
und Kontrast betonen, ein Rundformat allerlei Rundformen, die mit ihm
konzentrisch sind oder seine Kreislinie schneiden. Gerade bei monumen-
talen Bildern sind Parallelismus und Kontrast ausgiebig verwendete Mittel.
So wird also die Begrenzungslinie in die Komposition hineinverflochten,
doch keineswegs in unzulässiger Weise, nicht im Sinne einer Rahmen-
überschreitung. Es entsteht nur ein reicheres, innigeres Wirkungssystem,
die Richtungen im Bilde selbst bekommen vermehrte Kraft und dem Ganzen
eignet eine besondere Harmonie. Man tut bisweilen gut, sich auch auf
diese Dinge einzustellen, man wird natürlich wissen müssen, wo man solche
Fragen stellen kann und wo nicht; man wird z. B. in der so völlig „male-
rischen“ niederländischen Malerei wenig Glück damit haben, und in Italien
bei der zeichnerischen florentinischen oder der tektonisch römischen Kunst
mehr als in Venedig.
Man hört öfter als von diesen Dingen davon reden, wie ein Maler ein
Bild in ein gegebenes Format hineinkomponiert, ihm angepaßt habe, wie
das Bild im Rahmen oder die dargestellten Dinge im Raum stehen. Dabei
aber handelt es sich meist entweder um den ziemlich allgemeinen Eindruck,
daß kein Gedränge entsteht, daß sich die Sachen nicht hart im Raum
stoßen, sondern sich wohl und konfliktlos miteinander verträglich fühlen,
daß keine Friktion der Linien am Rande stattfindet, kurz, daß das Bild gut
abgeschnitten ist; dies letztere heißt aber, daß man das Abgeschnittensein
eigentlich überhaupt nicht merkt. Es handelt sich also entweder um einen
ziemlich allgemeinen Eindruck, daß Störungen vermieden werden, oder um
einen schon bestimmteren Eindruck reizvoller räumlicher Verhältnisse
zwischen Bildinnerem und Begrenzung, die nur recht oft nicht genauer faß-
bar oder angebbar sind; man darf etwa in manchen, aber nur in manchen
Fällen, an den goldenen Schnitt denken, in dessen Verhältnissen die Haupt-
teile des Bildes zueinander und zum ganzen Bilde stehen. Bestimmtere
Aussagen und die mehr ins Einzelne führen, werden erst möglich, wenn man
nicht bloß auf das Geschiebe von Massen und Körpern, sondern auch auf
„linear e“ Bezüge achtet und z. B. einmal Rundformate mit rechteckigen
vergleicht. Da das Format immer eine sehr einfache Linie bleibt, abgesehen
von so kapriziösen Fällen wie etwa das Rokoko zeigt, so werden die Ergeb-
nisse, die man hier findet, ebenfalls einfach und klar sein.
 
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