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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung III
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Kayssler, Friedrich: Das Schaffen des Schauspielers
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0410

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404 Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

Künstler hat diese Scheu vor der Prostitution zu überwinden. Allen andern
Künstlern wird dieser Kampf mit der Scheu dadurch erleichtert, daß der Drang,
das gefühlte Pathos, das künstlerische Erlebnis, den Stoff des Kunstwerks
darzustellen, eine so mächtige Energie entwickelt, daß der Künstler auf den
Flügeln dieser Energie fast unmerklich über diese Hemmung hinübergetragen
wird. Der Schauspieler aber ist ein Künstler, wie der Herr Vortragende hervorhob,
der sich seinen Stoff nicht selbst wählt. Er muß das Pathos anderer bekennen,
er muß sich erst in das Erlebnis des Dramatikers, das er künden soll, einfühlen.
Damit fällt die ursprüngliche motorische Kraft der unmittelbaren Energie«
erzeugung fort. Es bedarf daher einer noch höheren Aufwendung von Energie,
mittelbar gefühltes Erleben über die Hemmung der Scham hinweg zu bekennen,
als unmittelbares Pathos.
Ich mache diese Ausführungen nicht, um dem Herrn Vortragenden in der
Bewertung seiner Kunst als einer produktiven zu widersprechen. Im Gegenteil.
Ich teile die Überzeugung, daß, um mit Helmholtz zu sprechen, „das Wesentliche
jeder künstlerischen Tätigkeit darin besteht, das künstlerische Material zum
unmittelbaren Ausdruck der Idee zu machen.“ Die Produktivität besteht eben nicht
darin, daß der Stoff des Kunstwerks frei erfunden ist, sondern darin, daß die
unmittelbarste und vollendetste Ausdrucksform für diesen Stoff gefunden wird.
 
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