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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung IV
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Wetzel, Justus Hermann: Dur und Moll im diatonischen Tonkreise
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0516

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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

außerdiatonische Wege, die man fast sklavische Nachahmungen der
diatonischen Durwege nennen kann. Die Frage, ob Dur und Moll
tonräumlich entgegengesetzte Erscheinungen sind, läßt sich also
nicht kurzerhand bejahend oder verneinend entscheiden. Dazu ver-
einen sich unter diesen zwei Schlagworten zu viel verschiedenartige Erleb-
nisse. Unzweifelhaft werden die elementaren Mollwerte erzeugt aus einem
Bedürfnis nach tonräumlicher Symmetrie, d. h. nach Schaffung tonräum-
licher Kontrastwerte. Ebenso unzweifelhaft spielen dabei die Dur-
erscheinungen die Rolle der naturgegebenen Vorbilder, aus denen heraus
durch eine Trübung des Dur-Charakters die Mollwerte erwachsen. Hier,
meine ich, haben sowohl Helmholtz als auch Riemann Richtiges beobachtet,
ohne daß diese beiden Forscher doch den Sachverhalt aufzuklären ver-
mochten. Über die zahlreichen Urteile, die der praktische Musiker — der
hier sehr Wichtiges zu sagen hätte — über das Verhältnis der Dur- zu den
Mollempfindungswerten abgeben könnte, kann ich mich hier nicht mehr
verbreiten.
Sie werden ferner fragen, wie es denn nun mit den ästhetischen Folge-
rungen meiner Theorien stehe. Auch hierin habe ich Ihnen leider nicht
mehr bieten können, als daß ich mich bemühte, meine Formulierungen aus
dem spezifisch-musikalischen Anschauungskreise heraus in möglichste Nähe
der allgemeinen kunstwissenschaftlichen Betrachtungsweise zu rücken. Die
Aufgabe des Musiktheoretikers, der ja vorwiegend von der praktischen
Musik herkommen soll, geht wohl gerechterweise nicht weiter, als daß er
sein Beobachtungsmaterial dem Ästhetiker möglichst handgerecht darreicht.
Dies zu tun habe ich mich, so gut ich konnte, bemüht. Möchte es mir
gelungen sein, sowohl meinen engeren Fachgenossen als auch denjenigen
von Ihnen, die von höherer Warte aus die Erscheinungen unseres Kunst-
gebietes durchforschen, einiges Positive geboten zu haben.
 
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