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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Bredt, Ernst Wilhelm: Das Münchener Künstlerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0347

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Das Münchener Aünstlerhaus.

5^0. Münchener Münstlerhaus; !jof »nd Saalban. Architekt Gabr. Seidl.

hinweg bis zu pildebrand's
monumentalem Brunnen Hin-
schauen. Wir fühlen uns —
und wenn auch gar kein Schmuck
im Pause wäre, — wie in einem
Palazzo, der zwar mitten in
der Stadt liegt, aber für sich
selbst ein selbständiges, weltab-
geschiedenes Ganzes bildet.

„Von jenen hohen stolzen
Mauern, die wir errichtet rings
umher, prallt nratt zurück die
wilde Woge des gequälten
Meers!" Wie sehr diese Wir-
kung des festen, schönen Ab-
geschlossenseins vom Architekten
durch alle Einzelheiten erhöht
wird, werden wir uns später
wieder und wieder gewärtigen.

Mir scheint jedenfalls schon ganz
allein darum der Bau bewun-
dernswert , weil Geist und
perz des Architekten gleich in
der Anlage das ganze Wesen,
die hohe Stellung des echten
Künstlers so klar und edel ver-
körpert hat.

Es ist ja hier nicht der
C)rt, über Gabriel Seidl's
Schaffen überhaupt ausführlich
zu reden. Aber über einen
Reiz, der fast allen Bauten
Gabriel Seidl's eigen ist, dürfen
wir uns hier doch Rechen-
schaft geben. ,,Le8 grandes
pensees viennent du coeur.“

Rousseau's Wort ist mir schon mehrfach bei
Gabriel Seidl's Bauten in den Sinn gekommen.
Jedenfalls sagt man fick) gerade bei seinen größten
Schöpfungen, der Architekt muß ein „Mann von perz"
sein. Woher käme wohl sonst jener intime Reiz
in der Anlage seiner Gebäude, der um so überraschender
und stärker wirken inag, als Seidl so gern prächtige
Formen und Verhältnisse zum Ausdrucke seiner Em-
pfindungen und Gedanken wählt. Ein Bauernhaus
behaglich zu gestalten, ist jedenfalls leichter als einen
hoch emporragenden Palast oder ein Museum mit
unendlich vielen Räumen.

Diese intime Schaffensfreude und Schaffensweise
des Meisters mag seinen Bauten oft unbewußt da
oder dort einen nicht unwesentlichen Ausdruck gegeben
haben, dem dann fein hochentwickeltes ästhetisches
Gefühl und Wissen einen neuen Reiz beizulegen weiß.

Man hat, wie an seinem Nationalmuseum, so
auch am Künstlerhaus getadelt, es stehe zu tief.
Wir wissen ja alle, daß ein Gebäude um so impo-
santer wirkt je höher seine Basis; — gerade in Mün-
chen gibt's eine ganze Reihe älterer und jüngerer
Bauten, die uns das — leider negativ beweisen.
Seidl setzte aber nun nachträglich vor beide Bauten
niedrige Terrassen mit Balustraden. Dadurch kom-
men die Bauten gewiß kaum mehr „heraus". Und
doch ist gerade dadurch die Nordwestfront des Künstler-
Hauses mn einen harmonischen Reiz ganz zweifellos
bereichert worden: Durch die Ueberfchneidung der
Grundlinie wird der abgeschlossene Eindruck, den
das ganze Gebäude auf uns ausübt, nur noch erhöht.
Zudem erscheint hier ein gewisser Abschluß, ganz
abgesehen von dem Zweck der Restaurations-Terrasse,
geboten, da die weiten Bogenfenster des Restaurants

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