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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Cohen, Walter: Rheinisches Kunstleben: (Köln - Der Sonderbund und seine Ausstellung - Das Elberfelder Stadtjubiläum)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0034

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Rheinisches Kunstleben

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treten soll und daß an der Spitze der Richter des
neuen Preisausschreibens eben wieder Herr Schwechten
steht. Unter den übrigen Namen vermißt man die
berufensten und vor allem jene, von denen eine fort-
schrittlichere Tendenz zu erwarten wäre. Der »Kölner
Klüngel« hat wieder einmal einen stolzen Triumph
errungen. Möge man ihm auf dieser neuen Brücke
ein Denkmal in Erz errichten!

Eben dieses Köln hat Museen, deren Fortschreiten
durchaus neuzeitlichem Streben entspricht, an deren
Spitze Männer stehen, die mit allen Kräften nicht nur
an der Erweiterung des Museumsbestandes arbeiten,
sondern die über die Museumsmauern hinaus an
kulturellen Aufgaben den lebhaftesten Anteil nehmen.
Dasselbe Köln, das für seine Museen Werke von
Liebermann, Slevogt, van Gogh erwirbt, erbaut Brücken,
die schon uns Zeitgenossen wie geisterhafter Spuk be-
rühren und die den Nachkommen gewiß nicht den
Bauwillen der mächtigsten rheinischen Stadt zu Be-
ginn des zwanzigsten Jahrhunderts verkörpern werden!

* *

*

Wenn etwas geeignet erscheint, die »Existenzbe-
rechtigung« des neugegründeten, am Rhein vielbe-
sprochenen und vielgeschmähten »Sonderbundes west-
deutscher Künstler und Kunstfreunde« zu beweisen,
so ist es der Fall Schwechten. »Der rheinische
Westen sucht wieder den lange verlorenen Zusammen-
hang mit dem lebendigen Kunstwillen unserer Zeit.«
So heißt es im Einladungsschreiben. Der Sonderbund
ist an sich schon ein Protest gegen die Dom-
brücke als Symbol einer absterbenden, mit gewaltsamen
Mitteln am Leben erhaltenen archaisierenden Kunst-
weise. An seiner Spitze stehen nicht nur die besten
der jüngeren Düsseldorfer Künstlergeneration — ge-
nannt seien Deusser, Ciarenbach, Bosselt — sondern
auch Männer, deren Namen schon ein Programm be-
deutet, wie Osthaus-Hagen und Wichert-Mannheim.
Der Sonderbund steckt noch in den Kinderschuhen
und noch mehr in den Kinderkrankheiten, das läßt
seine Ziele oft undeutlich erscheinen. Die etwas
outrierte Modernität seiner ersten großen Ausstellung
im Düsseldorfer Kunstpalast, die zu Mißverständnissen
führende Stilistik seiner offiziellen Kundgebungen ist
geeignet, Kurzsichtige kopfscheu zu machen und Wohl-
wollende ihm zu entfremden. Es ist meine feste Zu-
versicht, daß der Sonderbund, ist erst seine Organi-
sation gefestigter, die Zahl seiner Mitglieder gewachsen,
dies alles überwinden und zu einem bedeutsamen
Faktor nicht nur des rheinischen Kunstlebens sich
gestalten wird.

Die diesjährige Sonderbundausstellung im Düssel-
dorfer Kunstpalast will mit besonderem Maß gemessen
werden. In Düsseldorf selbst hat sie Empörung er-
regt: beim einheimischen Publikum, das in keiner
Weise auf die neuartigen Erscheinungen der Matisse-
Oruppe vorbereitet ist, und bei den Künstlern, die
man nicht zur Beschickung aufgefordert hat. Und
das sind gar viele. Aber die Leitung besitzt gar nicht
den Ehrgeiz, allen gefallen zu wollen. Sie hat sich
ganz andere Ziele als die sonst an dieser Stelle statt-

findenden »Deutschnationalen Ausstellungen« der
Düsseldorfer Künstlerschaft gesteckt. In ganz loser
Verbindung mit den Leistungen der Düsseldorfer
wollte sie — die Künstler zu ihrer eigenen Belehrung —
einen Durchschnitt durch das heutige Kunstwollen
geben und eben aus diesem Grunde war die Teil-
nahme der Pariser unerläßlich. Daß nun eine von
Künstlern wie Hofer, Haller, Matisse und Othon
Friesz beschickte Ausstellung gerade im Herzen Rhein-
lands, in derjenigen Stadt stattfindet, die allein schon
durch den leichtherzigen Verzicht auf einen Peter
Behrens ihre antimoderne Gesinnung verraten hat, ist
von einer gar nicht hoch genug zu bewertenden Be-
deutung. Und der Erfolg gibt den Veranstaltern
recht: nicht nur ist die Zahl der Sonderbundmitglieder
in stetem Wachsen begriffen, auch die Zahl der Ver-
käufe hat bereits eine von niemand erwartete Höhe
erreicht. Soll man sich darüber beklagen, daß die
reichen rheinischen Industriellen, nachdem sie lange,
lange Jahre die wohlgepflegte von Kunstvereinen
gehätschelte Salonkunst in ihre Wohnungen einließen,
nunmehr die von warmem Naturempfinden über-
quellenden Gemälde der Bretz und Ciarenbach oder
die so geschmackvoll gefärbten Akte von Hofer er-
werben ?

Die äußere Anordnung der Ausstellung ist in
hohem Grade bewundernswert. Die Gemälde sind
mit einem Feingefühl für Format und koloristische
Wirkung gehängt, die man in diesem Jahre etwa in
der Berliner Sezession vergeblich sucht. Die Aus-
stellung der Skulpturen ist einfach mustergültig: ich
denke besonders an den hellen Rundsaal mit den
feierlichen Werken von Georges Minne, Haller, Bar-
lach und anderen, in den von rechts und links die
starken ungebrochenen Farben der Pariser und der
»Münchner Russen« hineinjubeln. Das hat viel mehr
als Stil, das hat Eigenart und Charakter und bleibt
dem Besucher unvergeßlich. Ebenso haben die Skulp-
turen Rudolf Bosselts, unter denen die Büste von
Dr. Niemeyer (Bronze) und die weibliche Figur in
Gips hervorragen, durch verständnisvolle Aufstellung
in einem isolierten Räume in ihrer Wirkung noch
gewonnen. Auch Max Liebermann, den man etwas
demonstrativ zum Ehrenmitglied des Sonderbundes
gewählt hat, ist durch eine kleine Sonderausstellung
neuester Schöpfungen ausgezeichnet, unter denen die
neue Fassung des Simson und Delila-Motivs das meiste
Interesse erregt, ohne daß sie die alte, die jetzt im
Sfädel zu Frankfurt hängt, in Vergessenheit bringen
könnte. Von den Düsseldorfer Malern ist zu sagen,
daß sie schon durch die Erweiterung des Stoffgebietes
ihren künstlerischen Ehrgeiz beweisen: Deusser, der
Maler der Kürassiere und Alleen, bringt einige aus-
gezeichnet gesehene graudunstige Architekturbilder
aus seiner Vaterstadt Köln; Ciarenbach hat den Winter-
bildern für eine Zeitlang Valet gesagt und den Früh-
ling am Niederrhein aufgesucht; der junge Walter
Ophey bringt süditalienische Stimmungen in einer
an den Neo-Impressionisten geschulten Manier. Der
Stilist der Gruppe, Julius Bretz, den ein sonderbares
Mißverständnis des Katalogvorwortes zu den Impressio-
 
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