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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Schumann, Paul: Fritz von Uhde
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0165

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ACAD.L ESEH.

k5.MRZ.1911

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN In Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 20. 24. März 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

FRITZ VON UHDEf

Nun ist auch Fritz von Uhde dahingegangen, er,
in dessen Namen uns der Begriff echter deutscher
Kunst moderner Art gesammelt erschien; er, an den
wir immer zuerst dachten, wenn es galt, dem Aus-
lande oder wem es sei zu zeigen, was deutscher Geist
in der Kunst ist. Er gehörte zu den großen führenden
Persönlichkeiten, an deren Namen der Ruhm der
Kunststadt München in unseren Tagen und vor allem
der Münchener Sezession sich emporrankte. Was von
jeher das Kennzeichen der deutschen Kunst war: Kraft
der Charakteristik, Innerlichkeit der Auffassung —
Uhde besaß es; und was die Gegenwart vor allem
von einem Künstler fordert: Eigenart und Persönlich-
keit — Uhde besaß es nicht minder. Fest wurzelte
er im Boden der modernen Kunst, er war ein Banner-
träger der neuen Anschauung vom Wesen der Malerei,
die um 1880 in Deutschland unter den aufstrebenden
Künstlern sich so kraftvoll die Bahn brach, und ihm
blieb es vorbehalten, dieser neuen Kunst der Malerei
den ernstesten Gehalt zu geben, zum malerischen
Schein die tiefe Innerlichkeit zu gesellen, die uns ans
Herz griff und mit aller Kraft hinüberzog zu der
neuen Kunst, die uns in Uhde so Großes zu sagen
wußte gleich einem neuen Evangelium.

Uhde ist nicht den geraden Weg zur Kunst ge-
gangen. Trotz der entschiedenen Begabung und Hin-
neigung zur Malerei, die er von beiden Eltern über-
kommen hatte, gelang es ihm zunächst nicht, sein
Lebensschifflein auf die Pfade der Kunst zu steuern,
und auch als er endlich auf den richtigen Weg kam,
hat es Jahre gedauert, bis er sich selber fand. Fritz
von Uhde wurde 1848 in Wolkenstein als Sohn eines
sächsischen Verwaltungsbeamten geboren, der 1883
als Präsident des evangelisch-lutherischen Landes-
konsistoriums gestorben ist. Er ging durchs Gymna-
sium und trat darauf in die Dresdener Kunstakademie
ein; indes er, der schon als Knabe Adolph Menzels
Zeichnungen bewundert und kopiert hatte, konnte der
kleinlichen, unfruchtbaren Zeichnerei in der Gipsklasse
nicht den mindesten Geschmack abgewinnen und
konnte auch zu den Lehrern in keinerlei Verhältnis
kommen. So kehrte er der Akademie den Rücken
und trat 1867 bei den sächsischen Gardereitern als
Avantageur ein. Als Leutnant von 22 Jahren machte
er den deutsch-französischen Krieg mit; später trat er
zum 2. sächsischen Ulanenregiment über, als Ober- I

leutnant des Karabinierregiments nahm er 1877 seinen
Abschied, um wieder, diesmal aber endgültig, zur
Malerei überzugehen. In späteren Jahren wurde er
noch zum Rittmeister ernannt. Auf Makarts Rat, den
er 1876 eingeholt hatte, ging Fritz von Uhde nach
München, aber es fand sich nirgends ein Platz für
den nicht mehr ganz jungen Anfänger, der den Reiter-
säbel mit dem Pinsel vertauschen wollte. Weder
Piloty noch Wilhelm Diez, noch Lindenschmit konnten
ihm Unterkunft gewähren. So malte er auf eigene
Faust wilde temperamentvolleSchlachtenbilder in farben-
prächtiger Makartscher Manier. Die Erlösung aus
dieser unbefriedigenden Tätigkeit brachte ihm die
Bekanntschaft mit Michael Munkacsy, mit dem er 1879
nach Paris ging und unter dessen Leitung er ein Jahr
lang energisch arbeitete. Der Erfolg dieses Studiums
war, daß er wirklich künstlerische Arbeit zu leisten
erlernte, wenn auch zunächst durchaus in der dunkeln
aus dem Asphalt heraus malenden Manier Munkacsys,
die damals so große Bewunderung erregte und durch-
aus das Gegenteil von Uhdes späterer eigener Mal-
weise ist. Als Probe dieses Könnens stellte Uhde
1880 im Pariser Salon die Chanteuse aus, ein figuren-
reiches, temperamentvolles Kostümbild in holländischer
Tracht des 17. Jahrhunderts. Ende desselben Jahres
kehrte er nach München zurück, und hier stellte er
sich alsbald in dem Gemälde »Das Familienkonzert«
als ebenbürtiger Schüler Munkacsys vor. Es war sein
letztes Genrebild, auch sein letztes Bild in einer
fremden Manier. Denn eben brach mit Macht die
neue Zeit der Freilichtmalerei an; Uhde lernte den
scharfkritischen Max Liebermann kennen, der damals
in München lebte, und im Spätsommer 1882 ging
er nach Holland, wo er rein nach der Natur studierend,
ohne Unterweisung Luft und Sonnenschein malen
lernte und sich von der dunklen Ateliermalerei zum
freien Licht hindurchrang. Die Näherinnen, der Leier-
kastenmann und die Trommelübung zeigten ihn 1883
als einen ganz veränderten reifen Künstler, der durch-
aus auf eigenen Füßen stand, und erregten als »revolu-
tionäre Schöpfungen« starkes Aufsehen in München,
das damals ja noch größtenteils unter dem Zeichen
Pilotys stand. Im Winter 1883/84 aber malte er sein
erstes biblisches Bild »Lasset die Kindlein zu mir
kommen«, und damit war der Fritz von Uhde fertig,
den wir bewundern lernten, mit dem wir zwei Jahr-
I zehnte freudig gewandert sind, weil er das Sehnen
 
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