Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

DOI article:
Maas, Max: Archäologische Nachlese, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0057

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Acao. Lesen.

26.NOV1910

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 7. 25. November 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur .Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE.
von Dr. Max Maas-München.
L

Wiederum liegen in dem »Archäologischen An-
zeiger«, Beiblatt zum Jahrbuch des Archäologischen
Instituts, die jeweils von den betreffenden Gebiets-
autoritäten erstatteten Jahresberichte über die archäo-
logischen Funde des verflossenen Jahres vor. Der
Abschnitt »Archäologische Funde im Jahre igog« in
dem am u. Oktober ausgegebenen 2. Heft des Ar-
chäologischen Anzeigers ist für das verflossene Arbeits-
jahr von 216 auf 260 Spalten gewachsen und die
Auslese ist noch schwieriger geworden (s. Kunstchronik
1909/1910, Sp. 97—107). Nur das Interessanteste
kann aus dieser Fülle des Stoffes den Lesern der
Kunstchronik vorgelegt werden. Die Spezialinteressen-
ten müssen ihre Gebiete in dem Original sowieso
durcharbeiten, wo sie auch in dem reichen Abbildungs-
material (fast 100 Abbildungen begleiten die Berichte)
Förderung finden. Zwei Charakteristika fallen in den
diesjährigen Berichten besonders auf. Erstens, daß
die Prähistorie immer mehr Raum in der Archäologie
beansprucht, daß sie sich immer mehr nicht bloß
als eine Einleitung und Voraussetzung, sondern als
ein wichtiger integrierender Teil der Archäologie er-
weist, und zweitens, daß die gelehrten Berichterstatter
des Archäologischen Anzeigers sich nicht allein damit
begnügen, Funde und Restaurierungen aufzuzählen,
sondern daß die Literatur in weitgehender Weise in
ihre Berichte eingearbeitet ist. Namentlich gewinnen
sie noch an Wichtigkeit dadurch, daß die oft nur
lokal verbreitete Literatur, die vielen unzugänglich
ist, besondere Beachtung gefunden hat und daß auf
neu erschienene Sammlungskataloge aufmerksam ge-
macht wird. In dem Abschnitt »Türkei«, »Italien«,
»Rußland«, »Nordafrika«, »Spanien und Portugal«,
»Schweiz«, »Österreich-Ungarn« u. a. Gebieten ist
eine Lückenlosigkeit nur durch die starke Heran-
ziehung der Literatur gewonnen. Diese Berichte des
Archäologischen Anzeigers zu loben, ist eine müßige
Sache. Sie sind ebenso unübertroffen, wie sie un-
entbehrlich sind.

Über die Türkei nebst Kleinasien berichtet 77z.
Macridy Bey, vorerst nur über die Erwerbungen des
Ottomanischen Museums, da über die kleinasiatischen
Ausgrabungen von 19°9 nocn nichts verlautet ist.

Unter diesen Erwerbungen erwähnen wir einen weißen
Marmorsarkophag aus Dyrrachium mit Darstellungen
der Meleager-Sage, einen prächtig erhaltenen Anthro-
poiden-Sarkophag aus Gaza (abgebildet im October
Statement des Palestine Exploration Fund), sieben zum
Teil kopflose Gewandstatuen von der Insel Thasos, Mar-
mortüren eines mazedonischen Tumulus aus der Um-
gebung von Saloniki, einen Terrakotta-Sarkophag in der
Form eines bandagierten Leichnams ausSamsun; ferner
die Funde der Ausgrabungen Reisners aus Sebastieh
in Palästina und von Kinch aus Lindos und eine An-
zahl Goldkronen von der Insel Rhodos, wovon eine
in getriebener Arbeit Dionysos und Ariadne auf dem
pantherbespannten Wagen zeigt. Das kaiserliche
Museum in Konstantinopel ist jetzt auch in den Be-
sitz einer reichen Sammlung von Porzellan und Jade-
gefäßen gekommen, so daß die Grundlage zu einem
keramischen Museum gelegt ist. — Über Kreta be-
richtet G. Karo teils auf Grund eigner Autopsie, teils
auf Grund der ihm von den griechischen, englischen,
italienischen und amerikanischen auf Kreta tätigen
Archäologen gemachten Mitteilungen. In Knosos
hat sich gezeigt, daß der Palast bereits im Anfang der
Mittelminoischen Periode, also um 2000 bis 1800
v. Chr., eine ganz gewaltige Ausdehnung gehabt hat.
Somit darf man schließen, daß die vorangehende früh-
minoische Kultur bereits hohe Stufe erreicht haben
muß, was auch durch die Schönheit verschiedener
frühminoischer Kleinfunde bestätigt wird. Wertvolle
Ergebnisse bot die Nekropole auf dem linken Ufer
des Baches einige Minuten nördlich von dem »Königs-
grab von Isopata«. Hier hat Evans im Sommer 1910
ein architektonisch ganz singuläres Grab gefunden,
dessen Anlage eine förmliche Grabkapelle bildet und
dessen architektonische Eigenart durch die Tongefäße,
welche die Grabräuber übrig gelassen haben, ergänzt
wird (schöne Vasen des ersten spätminoischen Stils
und eine ganz neue Gattung, die mattes unfixiertes
Schwarz, Rot und Blau verwendet, darunter als Pracht-
stück ein großer Kantharos mit geschwungenen Hen-
keln und reichem Spiralmuster in rot und blau). Als
ein klassischer Fund aus dem Boden von Knosos ist
eine Metope attischen Stils aus kretischem Kalkstein
zu bemerken, deren Verfertiger, ein Kreter, wohl noch
im 5. Jahrhundert, in Athen gelernt hat. — Ein
mittelminoisches Heiligtum auf dem Gipfel des Zeus-
berges bewahrte eine Anzahl menschlicher Gliedmaßen
 
Annotationen