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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Maas, Max: Archäologische Nachlese, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0058

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Archäologische Nachlese

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aus Terrakotta, so daß man annehmen darf, daß der
Himmelsgott an dieser Stelle als Heilgott verehrt
wurde. — Bei Tylisos, zwei Stunden von Kandia, wurde
von Hatzidakis die Ausgrabung des kleinen Palastes
begonnen, die schon Ergebnisse gezeitigt hat und
noch mehr verspricht (Magazine mit Pithoi, be-
malte Vasen, Stein, Gebrauchsgefäße und große
Bronzegefäße). Als Hauptfund wird die Bronzestatuette
eines betenden Jünglings in der üblichen Schurztracht
mit den Gesten der Adoration erwähnt. — In Phaistos
hat Pernier den großen Westhof des Palastes an
seinem westlichen Ende freigelegt, und im Nord-
westen des Burghügels, wo im Vorjahre der bekannte
Diskos mit dem gestempelten Hieroglyphen gefunden
wurde, hat er einen interessanten Komplex von Ge-
bäuden aufgedeckt, die außerhalb des eigentlichen
Palastes liegen. Hier und in einem im Osten an
diesen Bau anschließenden prächtigen Propylon wurden
eine Masse schönster Kamares-Vasen (aus der zweiten
mittelminoischen Periode) gefunden. Auch die grie-
chischen Befestigungen von Phaistos wurden erforscht;
erst das hellenische Phaistos mußte seine Bewohner
mit Mauern und Türmen schützen; die friedlichen
minoischen Fürsten konnten in unbefestigten Palästen
wohnen. — Die Amerikaner haben zur Gurnia zwi-
schen der Stadt und dem Meere die Nekropole ent-
deckt. Hier findet sich ein mittel- und spätminoischer
Bestattungsritus, in dem die Leichen aufrecht kauernd
unter großen über sie gestülpten Pithoi hocken. Die
Totenbeigaben sind spärlich und einfach. Gurnia
war ein Landstädtchen, gerade so wie die in diesem
Sommer von Miß Hall ausgegrabene Stätte bei Voro-
kastro zwei Stunden westlich von Gurnia. — Die
Ausgrabungen von A. J. Reinach in Goulas-Lato an
der Mirabellobucht haben nur klassisch-griechische und
keine minoischen Funde ergeben.

Im eigentlichen Oriechenland — so berichtet G.
Karo weiter — haben alle Ephoren wiederum eine
fruchtbare Tätigkeit entfaltet, die in erster Linie den
Wiederherstellungen und Sicherungen zu gute ge-
kommen ist. Auf der Akropolis wurde die Restau-
ration der Propyläen fortgesetzt. Die amerikanische
Schule hat unter Förderung der griechischen Ephorie
durch Nachgrabungen in den Fundamenten des Par-
thenon wichtige Aufschlüsse über die Gestalt des
älteren Baues gewonnen und hat am Südhang die
Stelle des Nikias-Monuments festgestellt. — Die er-
folgreichen Arbeiten, die Brückner am Dipylon-Fried-
hof fortgesetzt hat, sollen ausführlicher nach Er-
scheinen seines im Januar zu erwartenden Berichtes
registriert werden. Das interessanteste, was Brückner
getan hat, ist, daß er die Gräberstraße bis zu ihrem
antiken Niveau herunter abgetragen hat, so daß man
jetzt einen ganz anderen Begriff von der Hochauf-
stellung der Denkmäler gewonnen hat. — In Sunion
wurde der ganze Peribolos des Poseidon freigelegt;
im Amphiareion von Oropos ein großer Bau mit
Säulenhallen erkannt; in Orchomenos wurden die
ältesten Häuserkomplexe der bayerischen Ausgrabun-
gen, sowie das Kuppelgrab durch eine Mauer vor
weiterer Zerstörung geschützt. — Das Museum von

Theben ist nunmehr zu einem der wichtigsten von
Griechenland gestaltet worden. Es enthält u. a. die
Skulpturen vom Ptoion und die Funde der Aus-
grabungen von Burrows und Ure von Mykalessos;
ebenso ist das schöne Museum von Volo in diesem
Jahre fertig eingerichtet worden, in das auch die besten
Stücke der Larissa-Sammlung verbracht worden sind.
— In Pagasai wurde ein Mauerring des 5. Jahrhunderts
und auf der Akropolis über dem Theater ein Tempel
der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts entdeckt, unter
dem eine prähistorische Ansiedelung angeschnitten
wurde. Viele bemalte Stelen wurden auch in den
türkischen Ruinen unterhalb des Turmes von Pagasai
eingebaut gefunden. — Ein reicher Schatz an ge-
triebenen Silbergefäßen, Goldschmuck, Bronzen und
Tongefäßen wurde aus einem Plattengrab etwa des
2. Jahrhunderts v. Chr. in Palaiokastro bei Kartitza
hervorgezogen. Ferner brachte man an gleicher Stelle
Spuren eines Tempels und der Stadtmauern und viele
Freilassungsurkunden und Statuenbasen zutage. Eben-
so reich war die epigraphische Ausbeute (über 50 In-
schriften) in Larissa, wo auch die Bauglieder eines
großen Tempels auf der Akropolis zutage kamen.

Auf dem Peloponnes sind namentlich die Er-
haltungsarbeiten und Museumseinrichtungen (letztere
zu Epidauros, Tegea) von Bedeutung. Am Tempel
der Athene zu Tegea wurden Statuen und Tonfiguren
gefunden, auch ein schönes Bronzerelief aus der Mitte
des 5. Jahrhunderts wird erwähnt. — Im Gebiet von
Hermione zeigten sich bei den Ausgrabungen schöne
tönerne Statuetten des 5. und 4. Jahrhunderts, ein
korinthischer Helm und ein Reliefspiegel. —■ In Pylos
wurde ein leider ganz ausgeraubtes großes Kuppelgrab
gereinigt, das auch dazu dient, das Bild der myke-
nischen Kultur, die nach und nach allerorten in Hellas
erscheint, zu vervollständigen. — Das Museum in Olym-
pia ist vollständig repariert und seiner Schätze sind ge-
sichert. — Über die Ausgrabungen der englischen
Schule in Sparta ist dem in der Kunstchronik Gemeldeten
nichts mehr hinzuzufügen. (Kunstchronik 1909/1910,
Sp. 9 und 260). Ebenso ist an dieser Stelle über die
Ausgrabungen von Wace und Thompson in den prähi-
storischen Ansiedelungen Nordgriechenlands (Kunst-
chronik 1909/1910, Sp. 390), sowie über Ausgrabun-
gen der französischen Schule in Delos (Kunstchronik
1909/1910, Sp. 518) alles Wichtige früher registriert
worden. — In Tiryns wurde vom deutschen Institut
hauptsächlich die Westhälfte des Palastes untersucht.
Zahlreiche Stuckreste, die wohl zu einer friesartigen
Darstellung einer Eberjagd gehören, wurden zwischen
der Westtreppe und der Westmauer des Palastes ge-
funden. — In Leukas hat Doerpfeld nunmehr im
ganzen 15 Rundgräber aufgedeckt, die ohne regel-
mäßige Anordnung auf einem Haufen beisammen
liegen. Die völlige Freilegung des größten Grabes
war ergebnisreich. Unter dem Plattenboden wurde
das unberührte Pithosgrab einer vornehmen Frau
gefunden, das Gefäße, Goldperlen, ein silbernes Arm-
band und mehrere sehr feine Obsidian-Messer enthielt.
Endlich wurde in der runden Familiengruft noch ein
Grab geöffnet, das nach seinen Funden (Gefäße,
 
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