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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Tietze, Hans: Ein Protest deutscher Künstler
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Storck, Willy F.: Der Meister des Hausbuchs als Zeichner für den Holzschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0216

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Der Meister des Hausbuchs als Zeichner für den Holzschnitt

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das Ausland keinen gleichwertigen oder sicher keinen
besseren Namen an die Seite setzen kann: Hodler
und Klimt, Klinger und Kalckreuth und immer noch
Max Liebermann. Es ist bezeichnend, daß alle diese
Namen im Proteste fehlen.

Eine solche Streitschrift, die mancher vorhandenen
und leicht begreiflichen Verstimmung eine höchst
unglückliche und verfehlte Fassung gibt, ist im raschen
Enthusiasmus des Künstlers bald unterschrieben; aber
mancher von denen, die sich dazu fortreißen ließen,
mag heute schon stutzig geworden sein, wenn er
den Jubel merkt, mit dem der Protest von allen Vor-
kämpfern der schlimmsten künstlerischen Reaktion
begrüßt wird. Da hilft die papierne Ablehnung des
Vorwortes nichts, die sich gegen unwillkommene
Verbündete im eigenen Lager richtet, »gegen künst-
lerische Minderwertigkeit, die eine Rechtfertigung
ihrer Schwäche herauslesen möchte, gegen die Offi-
ziellen, die glauben könnten, ihr reaktionäres System
gebilligt zu sehen«. Vergebliches Bemühen; heute
frohlocken alle, die in Kunstbetrachtung und Kunst-
schriftstellerei den Standpunkt des Krämergeistes, der
Impotenz und der gröbsten Unkultur vertreten, über
die Halbjungen, die sich selbst alt gemacht haben
und jauchzen: Sie sind die Unseren!

HANS TIETZE (Wien).

DER MEISTER DES HAUSBUCHS ALS ZEICHNER
FÜR DEN HOLZSCHNITT
Von Willy F. Storck

Eduard Flechsig, dem wir die ersten umfassenden
Darlegungen über den Meister des Hausbuchs als Maler
verdanken, hat soeben in den Monatsheften für Kunst-
wissenschaft IV (März-April) eine ausführliche und gründ-
liche Abhandlung über den Hausbuchmeister als Zeichner
für den Holzschnitt veröffentlicht. Diese Frage war be-
kanntlich bereits im letzten Jahre angeschnitten und von
einer Anzahl Fachgelehrten beantwortet worden. Nun
erfahren wir, daß Flechsig bereits 1899 erkannt hatte, daß
die Holzschnitte des »Spiegel der menschlichen Behältnis«
Werke des Hausbuchmeisters seien. Schade, daß diese
seine Entdeckung der Forschung so lange verborgen blieb
und erst nach über zehn Jahren die Bestätigung durch Fach-
genossen erhalten sollte. Flechsig hat dem bei Peter Drach
in Speier erschienenen Spiegel menschlicher Behältnis eine
tiefgründende Untersuchung gewidmet, sein Verhältnis zu
den früheren und späteren Ausgaben klar gelegt (nicht
ohne im Nachwort die Mängel der bei Heitz erschienenen
Ausgabe durch Hans Naumann gründlich aufzudecken).
Die 277 Holzschnitte (bzw. 253 Holzstöcke) sind alle bis
auf einen (die Verhöhnung des blinden Simson durch die
Philister) nach des Meisters Zeichnungen (von drei ver-
schiedenen Händen) ausgeführt worden. Die Ausgabe
schließt sich im Text und in der Satzanordnung unmittel-
bar der 1476 bei Bernhard Richel in Basel erschienenen
an, und muß etwa 1482 herausgekommen sein. In demselben
Jahre kam der Almanack auf das Jahr 1483 heraus, der ohne
jeden Zweifel gleichfalls eine (sehr charakteristische) Arbeit
des Hausbuchmeisters ist, wie man schon aus den bei Heitz
(Neujahrswünsche des 15. Jahrhunderts Nr. 28) und Heitz
und Häbler (Hundert Kalender-Inkunabeln 1905. T. 41) *) ab-

1) Dort notierte ich mir noch weitere Arbeiten des
Hausbuchmeisters, vor allem Taf. 10 aus einem Ulmer
Druck (J. Zainer) von 1474 u. a. m. Ob er nicht auch mit
Augsburg Fühlung hatte?

gebildeten Darstellungen sehen konnte. Es handelt sich um
fünf Initiale und eine besonders schöne Darstellung, einen
Liebesgarten: ein junger Mann und eine junge Frau bei
einem Brunnen (wer zweifelt jetzt noch an der Echtheit des
Oothaer Liebespaares!). Spruchbänder tragen die Inschrift
über dem Jüngling: »By disser bronen fart winsch ich uch
frauelin gutter jar mannigfalt«, über der Jungfrau: »Geselle
got gebe dir heil gutter jar ein michel teil«. — Weniger
überzeugend ist für mich vorläufig noch die Mitwirkung
des Hausbuchmeisters an der Illustrierung der deutschen
Ausgabe von Petrus de Crescentiis »Philos. bon. Opus ru-
ralium commodorum seu de agricultura*, die ich selbst vor
Jahresfrist im Hinblick auf den Meister durchsah. Nur
einige Blätter: der Küfer, Traubentreter, Winzer und Winze-
rinnen und Holzhauer usw. hatte ich mir als eventuell
in Betracht kommend notiert. Flechsig nimmt etwa ein
Dutzend der zahlreichen Holzschnitte — welche, sagte er
nicht — für den Hausbuchmeister in Anspruch. Als Druck-
ort nimmt er mit Recht Speier, als Verleger Peter Drach
an. Bemerken möchte ich, daß das Verzeichnis der Stifts-
bibliothek zu Aschaffenburg bei dem betreffenden Druck
bemerkt: Speier, Peter Drach 1493. (cfr. Renz, die Inku-
nabeln der Stiftsarchivbibliothek zu Aschaffenburg 1908
p. 87). Jedenfalls gehört mit diesen zusammen ein Holz-
schnitt (ein Initial P mit einem Papst), der in Bärs Katalog
»Incunabula xylographica et typographica (1910)«*) aus
einem Druck, der 1483 bei Johann und Conrad de Hist in
Speier erschien: De ritu et moribus Indorum, den Flechsig,
wie er mir mitteilt, ebenfalls für eine echte Arbeit des
Hausbuchmeisters hält. Aus dieser Tätigkeit des Meisters
in den Jahren 1481—83 ergibt sich, daß er in Speier tätig war.
Flechsig sieht hier den Hauptort seiner Tätigkeit, während
er Frankfurt2) und Mainz (für die er seinerzeit selbst heftig
plädiert hatte) ganz fallen läßt, m. E. ohne Orund und
sehr zu Unrecht, wie ich noch ausführlich zu zeigen
hoffe. Auch Heidelberg, das übrigens durchaus nicht nur
gelehrte Universitätsstadt, sondern Residenz der kunstfreund-
lichen Fürsten Friedrichs des Siegreichen und Philipps des
Aufrichtigen war, läßt er als Ort seiner Tätigkeit fallen,
obwohl das bekannte Heidelberger Widmungsblatt, wie
Valentiner richtig ausgeführt hat, stark für eine solche An-
nahme spricht. Wo war der Meister tätig, bevor er nach
Speier kam? Flechsig stellt zur Beantwortung dieser Frage
eine neue Hypothese auf: er führt seine Kunst nach Ulm
zurück. Ich persönlich freue mich, daß Flechsig diese
Hypothese ausspricht, weil ich selbst vor Jahresfrist auf
ähnlichen Spuren war, wie ich verschiedenen Fachgenossen
mitteilte. Ich wurde damals noch auf weitere Spuren ver-
wiesen in Miniaturen usw., die ich aber bisher noch nicht
weiter verfolgen konnte. Ich hatte mich schon erstaunt,
daß Naumann in der Einleitung seiner Ausgabe (p. 24 u. 62),
wo er von einem Einfluß des Zeichners des Aesop auf den
»Spiegel« spricht, nicht auf denQedanken kam, beide Zeichner

1) Noch einen weiteren Holzschnitt (Abb. S. 120) hält
Flechsig für eine Arbeit des Hausbuchmeisters: eine Rand-
leiste, die sich in Drucken von Joh. Zainer in Ulm 1473
mehrmals findet.

2) Die Annahme, der Hausbuchmeister habe in Frank-
furt gearbeitet, stützte sich unter anderem auf den Nach-
stich des Kopisten BxO, das Rorbach-Holzhausensche
Wappen. Man nahm bisher an, daß es 1466 aus Anlaß
der Vermählung des Frankfurter Patriziers Bernhard Ror-
bach und der Eilgin von Holzhausen entstanden sei. Flech-
sig weist nach, daß dem Vater Bernhard Rorbachs erst 1470
das Familienwappen »gebessert« wurde, indem auf den
Helm eine Krone gesetzt wurde. Folglich kann der Stich
nicht vor 1470 entstanden sein.
 
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