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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

DOI Artikel:
Maas, Max: Archäologische Nachlese, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0069

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ACAD. lESEH.

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

MMR«

Verlag von E. A. SEEMANN In Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 8. 2. Dezember 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
_Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

ARCHÄOLOGISCHE NACHLESE.
von Dr. Max Maas-München.

II.

Nordafrika, d. h. die französischen Besitzungen
Tunis, Karthago und Algier wissen, daß die ärchäo-
logischen Nachrichten aus diesem Gebiete durch den
Erlanger Althistoriker A. Schulten am sichersten
registriert werden können; und auch diesmal gibt der
Erlanger Gelehrte an der Hand der ihm von den
maßgebenden Persönlichkeiten von Tunis und Algier
zugekommenen Berichte und Schriften einen wich-
tigen und interessanten Bericht. — In Karthago hat
Merlin auf der Insel in der Mitte des Kriegshafens
graben lassen, wobei drei Mauern, die wohl Stütz-
mauern eines 15 Meter breiten Walles sind — in
der Art der in Numantia zum Vorschein gekommenen
römischen Wälle — gefunden worden sind. — Eine
neue tunesische Nekropole Ard-el-Kheraib, die in das
4. Jahrhundert zu setzen ist, wurde westlich von
Bordsch Dschedid aufgedeckt. Hier kommt Bestattung
vor, ebenso läßt der Beginn des italischen Imports
sowie punische Münzen auf diese Zeit schließen.
Die mehrfach gefundenen Äxtchen (Hachettes) sind
zweifellos Amulette, wie sie auch in Skandinavien
und im ägäischen Kulturkreis vorkommen. — Die
Funde an der Küste bei Mahedia aus dem unter-
gegangenen Schiff lassen jetzt die Herkunft und die
Epoche des versunkenen Schiffes festlegen. Es sind
viele Raubstücke aus attischen Heiligtümern für rö-
mische Sammler darin verladen gewesen. Schwarz
gefirnißte Keramik des Ausgangs mit geritzten Orna-
menten läßt auf die 2. Hälfte des 2. und die 1. des
1. Jahrhunderts v. Chr. schließen. Dafür sprechen auch
vier aufgefundene Kapitelle von merkwürdiger Form,
bei denen aus dem Kranz von Kelchblättern zu jedem
Eck ein äußerst flau gehaltenes Volutenblatt mit
welligem Rand aufsteigt. Einige ähnliche Stücke sind
an verschiedenen Orten noch nachgewiesen worden.
Man darf vielleicht präsumieren, daß sie von dem
hellenistischen Umbau des Lykurgischen Proskenions
des Dionysos-Theaters stammten. Diese Schiffsladung
von Mahedia gibt durch ihre Funde einen sicheren
Punkt zum Verständnis neuattischer Kunst, des Ko-
pistentums und des Exports. Über Einzelheiten äußert
sich der Erlanger Archäologe Ludwig Curtius: 1. Kopf
und Teile der Büste eines Mädchens, stark zerfressen.

Als Kopie vortrefflich, bereichert dieser überlebens-
große Kopf einer Göttin die Galerie der Schönheiten
des 4. Jahrhunderts um einen neuen Typus. Das
Werk liegt auf dem Weg von der Venus genetrix zu
der Hygieia des Skopas. 2. Die Erosbronze, deren
gebrochene linke Hand gemäß dem Motiv der Lam-
padodromie eine Fackel hielt, läßt in der Haarbehand-
lung wie auch in der Gesamtanlage des Gesichts die
Verwandtschaft mit dem Apollo Giustiniani erkennen.
Die Figur als solche ist zwar unerfreulich, aber wichtig
als neues Glied einer Reihe von Werken eines merk-
würdigen klassizistischen Mischstils. Außerdem wur-
den eine Athenaprotome, Bronzemöbel mit griechischen
Marken, Bronzekandelaber, Figuren von Amoretten
und namentlich attische Inschriften des 4 Jahrhunderts,
letztere sicher aus Tempelraub stammend, in dem
Schiff gefunden. — Von Ausgrabungen im Gebiet
von Tunis sind noch zu erwähnen: Aufdeckung der
Thermen in Bulla Regia, von zwei vortrefflich erhal-
tenen, von Säulenhallen umgebenen Schwimmbassins
in den Thermen von Thuburnika und der Nekropole
von Simitthu. Weitere byzantinische Tonplatten mit
religiösen Darstellungen, z. B. einem neuen Bild des
so oft mit dem hl. Georg verwechselten hl. Theo-
doros, der den Drachen tötet, sind gefunden worden;
und in einem Heiligtum des Baal Saturnus bei Bir-
Bu-Rekba waren merkwürdige Tonfiguren eines segen-
spendenden Baals und einer ägyptisch gekleideten
Göttin Sokit erhalten, die charakteristische Zeugnisse
der im Saturnkult vorhandenen Göttermischung sind.

— Die Darstellung einer Art Martyrium (Bären greifen
einen an einen Pfahl gebundenen Menschen an), in
Thelepte gefunden, ist nach Schulten möglicherweise
gefälscht, der am Schlüsse seines Berichtes aus Tunis
noch die Erforschung der zweifellos reichen histo-
rischen Stätte von Utica vermißt und fordert. —

Aus Algier lagen dem Erlanger Gelehrten ver-
schiedene Berichte über die fortgeschrittene Aufdeckung
von Thibilis, auch vom Lager Lambaesis vor, die ihm,
da die Pläne fehlen, nicht ganz verständlich erscheinen.

— Nachdem bei den letzten Ausgrabungen zu Tim-
gad ein neues Tor im Osten, eine Menge Privat-
häuser und ein Kloster freigelegt worden sind, wird
das afrikanische Pompeji nun bald ganz ausgegraben
sein. — Hervorragend schöne Moaikfußböden sind
neuerdings wieder in Hippo Regius (Böne) gefunden
worden. In einer Villa stellt das Mosaik einer Exedra
 
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