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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Beringer, Joseph August: Kunstausstellung Darmstadt 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0237

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acad. leseh.

10.jun.1911

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

mmv«

Verlag von E. A. SEEMANN In Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 29. 9. Juni 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

KUNSTAUSSTELLUNG DARMSTADT 1911
Kleinere Kunstausstellungen haben, namentlich
wenn sie sich auf ein gewisses Gebiet beschränken,
sicher den Vorzug der Übersichtlichkeit und meist
den Nachteil wenig starker Anziehungspunkte. Die
»Freie Vereinigung Darmstädter Künstler« hat sich
mit den nahezu 700 Nummern und den über ganz
Deutschland zerstreuten hessischen Malern die Grenzen
der Ausstellung nicht allzu eng gesteckt. Sie hat
aber auch noch für einige Überraschungen Sorge ge-
tragen, so daß die diesjährige Darmstädter Ausstellung
ebenso zu interessieren vermag, wie jede ihrer Vor-
gängerinnen. Zweifellos verdankt das hessische, ge-
nauer gesagt, das Darmstädtische Kunstleben dem
unmittelbaren Eingreifen des Großherzogs sehr viel.
An der von ihm geschaffenen Künstlerkolonie ist ein
Stützpunkt gegeben, an den sich die hessische Kunst
bei Schaffenden und Genießenden anlehnen kann.
In der diesjährigen Ausstellung tritt die Kolonie aller-
dings nicht besonders stark hervor. Der Hauptver-
dienst fällt der »Freien Vereinigung« zu, die eine
Schau über westdeutsche Kunst zu bieten beabsichtigte
und »den Ruf Darmstadts als Stätte neuzeitlichen
Schaffens und verständnisvoller Kunstpflege aufs neue
befestigen«, gleichzeitig aber auch der Einwohnerschaft
der Residenz die Überzeugung beibringen wollte, daß
»nichts mehr zum Aufschwung Darmstadts beitragen
kann, als gerade die Plege der Kunst.«

Verklärung des Lebens durch die Kunst ist zu
einem Kulturaxiom geworden, dem man sofort un-
bedingt zustimmen dürfte, wenn mit dem Kultur-
problem sich nicht auch wirtschaftliche Fragen ver-
bänden. Diese wirtschaftlichen Fragen aber treiben
naturnotwendig in der Kunst zu Äußerungen, die
nicht mehr rein kunstgemäß sind. In diesem Punkt
setzt das Sensationelle in der Kunst ein, jenes wütende
Erfassen neuer technischer Ausdrucksformen, die unter
dem Deckmantel »moderner Malerei« meist nur zeigen
soll, daß der Künstler »nicht zurückgeblieben ist«.
Es scheint aber doch, daß der Dauerwert der Kunst-
werke in ihrem Persönlichkeitsausdruck liegt und nicht
in ihrer Anpassung an den Zeitausdruck.

Diese Tatsachen werden durch einige Erscheinun-
gen auf der Darmstädter Ausstellung glänzend be-
wahrheitet.

Über die älteren hessischen Meister, wie K. Bantzer,
E. Bracht, wie W. Bader, O. H. Engel, Ph. O. Schäfer,

steht das Urteil fest. Bantzer tritt mit einigen Figural-
werken, unter denen der »Erntearbeiter« durch seine
leuchtende Kraft und große Linie, sowie das »weib-
liche Bildnis« durch die feine Gehaltenheit des Tones
hervorzuheben sind, der modernen Malerei sehr nahe,
ohne ihre Unarten aufzunehmen. Bracht befestigt in
seinen Landschaften seinen Ruf aufs neue. Dagegen
zeigt das Dutzend L. v. Hofmannscher Werke, die
leider nicht zusammengehängt sind, auffällige Un-
ausgeglichenheiten. Neben den zahlreichen tonschönen
Werken wirkt die »Ekstase« wie eine Fanfare in Farben.
Sollte der feine Träumer und Poet, der stilvolle Bildner
so schöner dekorativer Werke auf dem Wege zu den
Farbenmodernisten sein? Man wird L. v. Hofmanns
Auseinandersetzung mit der modernen Koloristik im
Auge behalten müssen. Die jüngeren Künstler, die
sich an Bantzer anschließen lassen, bieten manche
Überraschung; so W. Thielmann und E. Beilhan und
R. Hölscher, die sich sehr vorteilhaft weiterentwickelten
und G. Schrägte, der sich mit größter Energie wieder der
Malerei zuwendet. Einer anderen Gruppe von Darm-
städter Malern steht das Ringen nach Persönlichkeits-
ausdruck frisch und anmutig zu Gesicht. So nament-
lich dem Schilderer der Rheinebene, Gg. Altheim,
der mit seinen tiefen Horizonten, seinen hohen Lüften
und hellen Farben auch diesmal angenehm auffällt,
so dem vielseitigen Ad. Beyer, dessen Landschaften
und Stilleben, deren auch Anna Beyer mehrere brachte,
erfreulich sind, so dem energisch gestaltenden C.
Kempin u. a. O. Ubbelohde ist mit seinen repräsentati-
ven Malereien noch nicht zu der herzerfreuenden aus-
drucksvollen Klarheit und Einfachheit gekommen,
die sich in seiner Graphik kundgibt. H. Pellars Kunst,
die für die Kolonie neu gewonnen wurde, verrät
noch zu deutlich Stucksche Art, als daß sie für voll
genommen werden könnte.

Unter den Darmstädter Plastikern ist Bernhard
Hoetger mit einem Dutzend Werken vertreten. Der
Künstler sucht über archaistische Umwege seinen Stil.
Seine Entwicklungslinie ist somit nicht ganz rein und
einfach. Um so klarer ist sein plastisches Prinzip,
das noch hie und da unter Künsteleien verschleiert
liegt, sich aber stark dokumentiert, am stärksten in
den Porträts. Neben diesem dekorativen Großplastiker
steht die feine, energische Sachlichkeit und stilistische
Prägnanz von H.Jobst mit abgeklärter Ruhe und Wucht.
Der vielgewanderte B. Elkan hat seine Ansiedelung
 
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