Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

DOI Artikel:
Schleinitz, Otto von: Londoner Brief
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0256

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
487

Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe

488

tektonische Aufbau muß jedenfalls als der beste Teil
des Monuments angesehen werden, dagegen reichen
die drei auf dem Sockel sich erhebenden und durch
Attribute gekennzeichneten Figuren der »Wahrheit«
mit dem Spiegel, der »Gerechtigkeit« (Schwert) und
der von Kindern umgebenen »Mutter«, kaum über
das Konventionelle hinaus. Den vierten, den Haupt-
platz auf dem Postament nimmt die Statue der Kö-
nigin Victoria ein. Auf dem Throne sitzend, die
Krone auf dem Haupte, in der rechten Hand das
Zepter, in der linken den Reichsapfel, ist sie in realisti-
scher Porträtähnlichkeit dargestellt. Würde und all ihre
anderen guten Eigenschaften sind zweifellos zum Aus-
druck gebracht, allein ein originales Kunstwerk ersten
Ranges, das als charakteristischer Typus auf die Nachwelt
übergangen wäre, haben wir nicht vor uns. Daß es
gerade im vorliegenden Fall äußerst schwierig erscheint,
ein solches Bildwerk zu schaffen, bedarf nicht erst
der näheren Erörterung, ebenso wie es der sehnlichste
Wunsch der Nation war, ein Monument entstehen
zu sehen, das nach jeder Richtung hin und also auch
in der Entwickelung der englischen Bildhauerkunst
ein Markstein hätte sein können! Die technische Be-
handlung des Marmors, der in riesigen Blöcken aus
Carrara beschafft wurde, verdient volle Anerkennung.
So z. B. ist die Lehne des im Renaissancestil gehal-
tenen Thrones meisterhaft durchgearbeitet.

Überragt wird das gesamte Monument von einer
vergoldeten, geflügelten Viktoria, die aber (besonders
bei einer Siegesgöttin zu beklagen) nicht fest und
sicher genug zu stehen scheint, und deren Kopf hin-
sichtlich der Entfernung zu klein bemessen wurde.
Sowohl die Königin wie die Siegesgöttin blicken nach
dem Herzen der Stadt, vor sich den »Green Park«,
die Straße »The Mall«, und im Rücken die dunkle,
architektonisch wenig schöne Fassade des »Buckingham
Palastes«. Alles in allem gehört das Monument immer-
hin zu den besseren seiner Art in London.

Durch den Kaiser erfolgte auch die Eröffnung
der Ausstellung von Philipp A. Laszlos Porträts in
der Galerie Thomas Agnew & Sons in Bond Street.
Den Hauptanziehungspunkt der Ausstellung bildete
das Porträt des Kaisers. Da Laszlo grundsätzlich
kein Schmeichler ist, und es verschmäht, derartige
Bildnisse als sogenannte Staatsporträts aufzufassen und
mit einer Atmosphäre von Hofluft oder Mode zu
umgeben, so gestaltet sich seine Aufgabe wahrlich zu
keiner leichten. Auch hier, wie fast in allen seinen
Bildern, siegt schließlich die Realität über Romantik,
ohne ersterer Gewalt anzutun oder bis zur äußersten
Grenze zu gehen. Des Kaisers Blick ist ernst aber
nicht streng, ja der Meister hat es verstanden, einen
so sympathischen Ausdruck in seine Gesichtszüge
hineinzulegen, daß letztere das angenehm Fesselnde
und dominierende Element des Werkes bleiben. Der
Kaiser ist in Garde-du-Corps-Uniform in ganzer Figur
dargestellt, sein Pferd am Zügel haltend, das den
Kopf zu einem Windhund herabneigt. Ebenso wie
die Hauptfigur zeigt auch der Entwurf der Gruppie-
rung eine sichere und glückliche Hand. Außer diesem
Bildnis sind noch zwei Porträtskizzen des Kaisers vor-

handen, die namentlich Laszlos Vorzüge erkennen
lassen, wenn es sich nur um die Wiedergabe des
Gesichts handelt. Kraft steckt in allen seinen Porträts.
Andere sehr erwähnenswerte Bildnisse von Laszlos
Hand in der Ausstellung sind noch folgende: Graf
Khuen Hedervary, ungarischer Ministerpräsident, die
Gräfin Greffuhle, der Vizeadmiral Prinz Louis von
Battenberg, Lady Northcliffe, der Graf Seiborne, die
Gräfin Hochberg, die Gräfin Wemyss, Albemarle und
Ancaster. Ein außerordentlich charakteristisches Porträt
ist ferner das der Gemahlin des Ministerpräsidenten
Asquith, und durch vornehme Einfachheit zeichnet
sich Lord Roberts« aus. Endlich soll das Porträt
der Kinder des Meisters und dessen für die Uffizien
in Florenz bestimmtes Selbstporträt nicht vergessen
werden. Die zum Besten des Künstlerfonds ins Leben
gerufene Ausstellung, hat sich als eine große An-
ziehungskraft für die Londoner Season erwiesen.

Für eine Festvorstellung von Lytton-Bulwers >Mo-
ney« im Drury Lane Theater hatte Direktor Collins
einen neuen Zwischenakt-Vorhang von dem Akademie-
mitglied Seymour Lucas herstellen lassen. Die alle-
gorische Darstellung zeigt den Kaiser und den König
Georg zu Pferde mit der »Germania« und der »Bri-
tannia«, über ihren Häuptern die Figur des Friedens
schwebend. Im Hintergrunde erblickt man ein ide-
alisiertes Bild Londons, im Vordergrund junge weib-
liche Gestalten, die vor dem Kaiser Blumen streuen.

O. v. SCHLEINITZ.

NEKROLOGE

Der Architekt Geheimrat Professor Christoph Hehl,
deran der Berliner Technischen Hochschule in Charlottenburg
als Nachfolger Schäfers seine Lehrtätigkeit ausübte, ist
gestorben. Sein Hauptfach war die mittelalterliche Baukunst.

PERSONALIEN

X Der Bildhauer Prof. Johannes Götz wird für einige
Jahre Berlin verlassen und nach Italien übersiedeln. Zu-
nächst wird er auf Einladung des preußischen Kultus-
ministeriums in der Villa Falconieri zu Frascati Wohnung
nehmen.

Durch die Presse geht die Meldung, daß als Nachfolger
Berthold Riehls Prof. Heinrich Wölfflin in Aussicht ge-
nommen sei. Von Berlin aus erfolgten schon vor einiger
Zeit Dementis. Inzwischen gehen aber durch die Zeitungen
neue Meldungen, die die Nachricht, daß der ausgezeichnete
Gelehrte nach München übersiedeln wird, zu bestätigen
scheinen.

WETTBEWERBE

Die neue Konkurrenz um das Bismarck-National-
denkmal am Rhein. In Wiesbaden ist der Beschluß
gefaßt worden, den vom Preisgericht ausgezeichneten Künst-
lern Gelegenheit zu einer weiteren Durcharbeitung ihrer
Entwürfe fürdas Bismarckdenkmal bei Bingerbrück zu geben.
Es findet also eine engere Konkurrenz unter den Preis-
trägern statt. Nach dem Rate des Ausschusses soll die
Person Bismarck mehr zur Erscheinung gebracht werden.

X Im Wettbewerb um den Preis der Dr. Paul Schultze-
Stiftung, für den die Berliner Akademie der Künste
diesmal als Aufgabe ein Relief für einen Brunnen bestimmt
hatte, wurde der Bildhauer Burkhardt Ehe, ein Sohn des
 
Annotationen