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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Schumann, Paul: XI. Tag für Denkmalpflege
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Schmidt, Karl Eugen: Die Münchener Kunstgewerbler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0014

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Die Münchener Kunstgewerbe in Paris

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durch einen ganz unberechtigten Kampf gegen das
feuersichere Oernentzsche Strohdach und scheuen sich
durchaus nicht, durch ihren Wettbewerb die altein-
gesessenen Ziegel- und Schieferdecker und Industriellen
zu verdrängen und zu schädigen. Genügen sie selbst mit
ihren Bauausführungen den Anforderungen des Heimat-
schutzes, so hat dieser keinen Anlaß zu Angriffen.

Reich war der Schatz literarischer Festgaben, die
der Ortsausschuß den Teilnehmern an dem Denkmal-
pflegetag bescherte. Wir nennen davon wenigstens
zwei neuere Werke: Heft 14 der von der Kommission
zur Verwaltung der westpreußischen Provinzialmuseen
herausgegebenen Abhandlungen zur Landeskunde der
Provinz Westpreußen (Verlag A.W. Kafemann in Danzig;
Bauinspektor Bernhard Schmid behandelt darin die
Denkmalpflege in Westpreußen 1804—1910, beson-
ders die Marienburg) und einen reich illustrierten
Band Danzigs Kunst und Kultur im 16. und 17. Jahr-
hundert vom Baurat Georg Cuny in Elberfeld. Der
Verfasser bringt darin so wichtige neue Ergebnisse
zur Geschichte der beiden Andreas Schlüter und des
Dresdner später Danziger Architekten und Bildhauers
Hans Kramer, daß das Buch als ein ganz hervor-
ragend wertvoller kunstgeschichtlicher Beitrag zur
deutschen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts be-
sonders gewürdigt werden muß.

Der Begrüßungsabend im Artushof, der ein stim-
mungsvolles, in Danzigs Geschichte einführendes Fest-
spiel brachte, und zwei lohnende Ausflüge nach der
Marienburg und nach dem Kloster Oliva schlössen
sich den Vorträgen und Verhandlungen als überaus
befriedigende Veranstaltungen freierer Art an. Alles
in allem: der XI. Denkmalpflegetag ist dank den um-
sichtigen Vorbereitungen seines Leiters v. Oechelhäuser
und des Ortsausschusses so voll befriedigend ver-
laufen, daß wir mit voller Genugtuung darauf zurück-
blicken können. Die neue Einrichtung der gemein-
samen Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz
wird im nächsten Jahre zum ersten Male die Probe
auf ihre Haltbarkeit zu bestehen haben.

PAUL SCHUMANN

DIE MÜNCHENER KUNSTGEWERBLER IN PARIS

Vor zwei Jahren hatten die französischen Kunstgewerb-
ler München besucht, und bei dieser Gelegenheit lud
der Präsident des Pariser Herbstsalons die Münchener ein,
diese Ausstellung zu beschicken. Eigentlich war es dem
Herrn nicht so ganz ernst, und als die Münchener seine
Einladung nicht nur annahmen, sondern sich ganz ernsthaft
vorbereiteten, wurde sowohl ihm als auch anderen Fran-
zosen etwas schwül zumute. In den Blättern konnte man
lesen, daß der Herbstsalon und sein Präsident sich durch
diese Einladung eines schweren Vergehens gegen das Vater-
land schuldig gemacht hätten, sintemalen sie sozusagen
dem Feinde die Tore der Stadt geöffnet hätten. Und dabei
handelte es sich im geringsten nicht um Chauvinismus mit
antideutscher Spitze, sondern man war ganz einfach in Paris
so von der Mangelhaftigkeit des französischen und von der
Vortrefflichkeit des deutschen Kunstgewerbes überzeugt,
daß man von einer Münchener Ausstellung in Paris das
allerschlimmste für das französische Kunthandwerk be-
fürchtete. Wenn die ausländischen Käufer, die in Paris
ihren Bedarf an Kunst decken, die Münchener Ausstellung

zu Gesicht bekämen, würden sie hinfort kein französisches
Möbel mehr kaufen, sondern ihre Kundschaft nach Isarathen
wenden.

So wurde in den Pariser Blättern gejammert, und
diese Klagen entbehrten nicht einer gewissen Komik.
Denn nachdem man uns hundert oder zweihundert Jahre
lang immerfort erzählt hatte, daß der französische Ge-
schmack einzig und unüberwindlich sei, war es etwas lächer-
lich zu sehen, wie nun die bloße Ankündigung einer deut-
schen kunstgewerblichen Ausstellung in Paris gleichsam
als Bankrotterklärung des französischen Kunstgewerbes an-
gesehen wurde. Um so komischer, als es sich keineswegs
um das gesamte deutsche Kunstgewerbe, sondern nur um
eine einzige Stadt von den vielen, die sich im Deutschen
Reiche auf künstlerischem Gebiete hervortun, handelte.
In dieser Not hätte der Herbstsalon wahrscheinlich am
klügsten erklärt: aus Gastfreundschaft überlassen wir in
diesem Jahre dem deutschen Kunstgewerbe den ganzen
Raum, der sonst der angewandten Kunst zur Verfügung
steht, werden also in diesem Jahre überhaupt keine fran-
zösischen kunstgewerblichen Gegenstände ausstellen. Statt
dessen hat der Herbstsalon sich in einem dringlichen Auf-
rufe an alle französischen Kunsthandwerker gewendet und
sie aufgefordert, sich möglichst viel und reich zu betei-
ligen, um so den Münchenern die Spitze bieten zu kön-
nen. Infolgedessen ist denn auch die französische kunst-
gewerbliche Abteilung außergewöhnlich groß, wenigstens
zehnmal größer als sonst und zwei oder dreimal so groß
wie die Münchener Ausstellung.

Man wird also zu einem Vergleiche ordentlich ge-
zwungen, und das hätte der Herbstsalon sich sparen können.
Nicht etwa, daß die Befürchtungen der Franzosen einge-
troffen wären, und daß diese Münchener Ausstellung den
endgültigen Niedergang des französischen Kunstgewerbes
besiegelt hätte. Man müßte ein sehr blinder deutscher
Patriot sein, wenn man so etwas aus der Vergleichung
der beiden kunstgewerblichen Abteilungen im Herbstsalon
schließen wollte. Ganz im Gegenteil muß man sich hier
sagen, daß das Angstgeschrei der französischen Presse
durchaus unnötig und sinnlos gewesen ist, und daß die
Franzosen gar keine Ursache haben, den Vergleich mit den
Deutschen zu scheuen. Indessen macht trotz alledem die
Münchener Abteilung einen bei weitem besseren Eindruck
als die französische, und die nämlichen französischen Blätter,
die damals so ängstlich jammerten und die jetzt mit Pro-
tektormiene dem Münchener auf die Schulter klopfen, seinen
Fleiß loben und ihm die Versetzung zu Ostern versprechen,
wenn er so fortfährt, haben mit dieser jetzigen Stellung
genau ebenso unrecht wie mit ihrer früheren Alarmrolle.

Die rechte Wahrheit zu sagen, offenbart sich weder
bei den Münchenern noch bei den Franzosen mehr Ge-
schmack, Originalität oder Schönheitssinn, und wenn man
die einzelnen Stücke vergleicht, wird sich das Urteil ziem-
lich genau die Wage halten. Der alte Vorwurf der Schwer-
fälligkeit und Plumpheit, der den deutschen Künstlern von
französischer Seite niemals erspart bleibt, und der also auch
diesmal wieder erhoben wird, ist weiter nichts als ein ab-
gebrauchtes Klischee, ohne welches der Franzose nicht
auskommen kann, wenn er von deutschen Dingen spricht.
Man braucht nur die von den Nanziger Kunsthandwerkern
ausgestellten Räume zu betreten, um jedes einzelne Stück
der deutschen Abteilung für äußerst leicht und zierlich zu
halten. Die französischen Beurteiler müßten uns die ge-
samten Lothringer als Deutsche zuerkennen, um mit der
deutschen Plumpheit bei dieser Gelegenheit operieren zu
können. Solange sie aber die Nanziger als waschechte
Franzosen reklamieren, dürfen sie den Münchenern nicht
mit Schwerfälligkeit und Plumpheit kommen.
 
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