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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Schmidt, Karl Eugen: Im Louvre
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Römischer Brief , [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0319

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6i3

Römischer Brief

614

Zukunft solche Gaunereien zu verhüten, wird der
Direktor des Louvre am besten tun, nicht etwa das
Publikum möglichst auszuschließen, wohin seine bis-
herigen Reformen zielen, sondern ganz im Gegenteil
dieses Publikum so zahlreich wie möglich anzuziehen
und so lange wie möglich festzuhalten. Dann bedarf
es nur noch einer genauen Überwachung der eignen
Angestellten, einer besseren Auswahl und strengeren
Prüfung der Saalwächter, und die Werke Leonardos,
Raffaels und Rembrandts werden hinfort in Sicherheit
sein. Noch besser wäre freilich auch, man nähme
die Glashülle wieder von den Bildern. Sonst könnte
wahrlich auch ein sonst unbescholtener und ehrlicher
Kunstfreund auf die wahnsinnige Idee kommen, ein
solches Lieblingsbild zu stehlen, nur damit er es nach
Entfernung der Glasscheibe endlich wieder einmal
beschauen könne. Schließlich wäre es in dieser
wunderbaren Geschichte gar nicht das wunderbarste,
wenn die Mona Lisa einfach von einem glühenden
Bewunderer gestohlen worden wäre, der nur diesen
Weg sah, ihre Schönheit von der entstellenden Glas-
hülle zu befreien. Hie und da ist mir der Gedanke
schon selbst gekommen!

KARL EUGEN SCHMIDT, Paris.

RÖMISCHER BRIEF

Die Sommermonate haben Rom etwas Ruhe ge-
bracht und ist es jetzt an der Zeit, einen Rückblick
zu tun auf vieles von dem, was Winter und Frühling
so reich geboten haben. Daß alles, was gemacht
worden ist, ganz und gar befriedigend ausgefallen
sei, kann man wohl nicht behaupten, aber man muß
sich auch vor den Fanatikern des alten Rom hüten,
die gegen vieles von dem Neuen, eben nur einfach
weil es neu ist, einen wütenden Krieg führen. Zu
den allerneusten Neuigkeiten der ewigen Stadt ge-
hört das Projekt unterirdischer Bahnen zur Erleich-
terung des Verkehrs, welcher besonders in den
Winter- und Frühlingsmonaten in den wichtigsten
Verkehrsadern der Stadt so groß geworden ist, daß
an eine weitere Vermehrung der Straßenbahnen
im Zentrum überhaupt nicht zu denken ist, weil
sonst für die Fußgänger kein Platz mehr bleiben
würde. Nun nimmt die Bevölkerung immer mehr
zu, und die Stadt dehnt sich immer weiter aus, so
daß eine Lösusg notwendig wird. Da ist die Stadt-
verwaltung auf den Ausweg der Untergrundbahnen
gekommen und ist es sonderbar, daß einzelne der
ewigen »Protestanten« auch diese Gelegenheit zum
Widersprechen nicht versäumt haben. Unter ihnen
hat, als einer der ersten, Giacomo Boni, der wohl-
verdiente Direktor des Forum Romanum, das Wort
ergriffen, um das Projekt als eine Entweihung des
innersten Herzens von Rom kräftig zu bekämpfen.
Die erste Linie sollte nämlich von Piazza Venezia
unter Kapitol und Palatin nach San Paolo fuori le
mura führen und dann, natürlich nicht mehr unter-
irdisch, nach Ostia. Daß dabei der Urboden der
ewigen Stadt durchwühlt werden muß, ist wohl -wahr,
aber eine normale Linie am Fuße des Kapitols und
des Palatins wäre der Charakteristik der Stadt noch

verhängnisvoller. Die meisten derer, die nicht aus
lauter Liebe für die historischen und künstlerischen
Reize Roms die Notwendigkeiten des modernen Lebens
in einer Hauptstadt vergessen, loben das Projekt und
hoffen, daß dadurch manche Niederlegung, mancher
Verlust vermieden werden wird. Der ewige Wider-
spruch reizt nur die Neuerer coüte qui coüte immer
schärfer und rücksichtsloser vorzugehen in ihren
Neuerungen. Um auf Boni zurückzukommen, so ist
jetzt sein Tätigkeitsfeld noch größer geworden, denn
zum Forum sind jetzt Palatin und Colosseum gesellt
worden. Als ihm der Palatin übergeben wurde, war
sein erster Gedanke, den Liebhabern des grünen,
poetischen Hügels zu versichern, daß er der Aus-
grabungen wegen die Gärten und Pflanzungen dort
oben nicht stören, sondern mit größter Liebe fördern
werde. Einen Hortus Romanus will er auch dort
oben gründen mit allen Gattungen der alten italischen
Pflanzen.

Indessen werden am Fuße des Palatins die Ar-
beiten der Passeggiata archeologica ruhig weiter-
geführt und die kleine Ebene um die Caracallathermen
wird mit Bäumen bepflanzt. Was die Terrainregu-
lierung betrifft, so ist sie jetzt wesentlich anders,
als man sie sich erst, zu aller Schrecken, ausgedacht
hatte. Ich habe den Lesern der Kunstchronik schon
mitgeteilt, daß das erste Projekt darin bestand, an
Stelle der engen Via di Porta San Sebastiano einen
hundert Meter weiten Fahrweg anzulegen. Der Oppo-
sition der gebildeten Kreise in Rom mußte dieser
Plan glücklicherweise geopfert werden. Mit dem
Zurücktreten Giacomo Bonis aus der Kommission,
der die Regulierung der Passeggiata archeologica an-
vertraut ist, wurde Rodolfo Lanciani, dem hochver-
dienten Topographen des alten Rom, die oberste
Leitung zugeteilt, und von dem Tage an hat die
ganze Sache eine andere Richtung genommnn. Von
dem hundert Meter breiten Fahrweg hat man absehen
müssen, und die neue Straße, die den Viale di San
Gregorio mit der alten Via di Porta San Sebastiano,
welch letztere von San Cesario an ihre alte Form
behält, verbindet, wird die Breite einer normalen
Fahrstraße haben und in ihrem ersten Teil hart am
Fuße des Hügels, auf welchem die Kirche von San
Gregorio und die Villa Mattei stehen, hinziehen. Die
Marrana di San Giorgio, der schöne klare Bach, den
man erst kanalisieren wollte, wird statt dessen mit
seinem Lauf die Parkanlagen vor den Thermen an-
genehm beleben. Die Caracallathermen selbst sollen
nämlich in der allernächsten Zeit isoliert und mit
Anlagen umgeben werden, die sich nicht nur auf die
kleine Ebene davor erstrecken sollen, sondern auch
den Hügel einbegreifen, auf dem die alte Kirche und
das Kloster von Santa Balbina stehen. Sie sollen
auch an der Hinterfront vollkommen von allem
Schutt befreit werden. Die Kommission bedeckt die
ganze Zone der Passeggiata archeologica mit Baum-
pflanzungen, und das Haus des Kardinals Bessarion
wird ganz und gar restauriert werden.

Was die Diokletiansthermen angeht, so ist ihre
Regulierung durch die Ausstellungsarbeit so weit
 
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