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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Wann ist Paolo Veronese geboren?
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0142

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259

Nekrologe

260

Wie soll man sich eigentlich diesen utnile compilatore
bei der Arbeit vorstellen? Der Mann sitzt auf seinem Bu-
reau, hört, daß Veronese gestorben ist und macht nun
nach Outdünken seinen Eintrag in das Register? Die den
Tod Paolos betreffenden und ähnliche Vermerke in den
Büchern des venezianischen Oesundheitsamtes klingen ganz
und gar nicht wie freie Erfindungen eines Beamten, son-
dern höchst exakt. Nicht nur das Alter des Verstorbenen,
auch Art und Länge der Krankheit, die das Ende herbei-
geführt hatte, sind vermerkt. Es ist doch kaum zweifelhaft,
daß diese Angaben auf niemand anderen als auf die Ange-
hörigen des Toten, die offenbar die Meldung auf dem
Uffizio sanitario zu machen hatten, zurückgehen, also in
unserem Falle auf die Persönlichkeiten, die die Büste in
S. Sebastiano aufstellen ließen, auf den Bruder und die
Söhne Paolos.

Doch die scheinbare Diskrepanz von Inschrift und Aus-
sage des Necrologio läßt sich, glaube ich, ganz leicht ins
Reine bringen. Haben Cicogna und Biadego nicht in die
Inschrift etwas hineininterpretiert, was sie gar nicht ent-
hält? Sie ist formuliert, wie hundert Porträtinschriften:
Paulo Caliari effigies aetatis suae anno 58. Das heißt weiter
nichts als Abbild des Paolo Caliari im Alter von 58 Jahren.
— Die eigentliche Grabschrift aber lautet: Pip Caliari Vero-
nensi Pictori celebri Benedictus frater et filii pientissimi et
sibi posterisque faciendum curarunt. Decessit XIV. Kai.
Maij anno Dni 1588. Wenn die Hinterbliebenen am Grabe
Paolos das von ihm erreichte Alter wirklich hätten angeben
wollen, würden sie gewiß die Jahresanzahl der eigentlichen
Grabinschrift, hinter dem decessit, wie das üblich ist, ein-
gefügt haben. Mit anderen Worten: die Inschrift auf der
Büste steht gar nicht in Beziehung zu der Grabinschrift,
sie sagt nichts über das Alter des Dargestellten zur Zeit
seines Todes aus, sondern nur über sein Alter zur Zeit der
Entstehung der Büste, die zu Lebzeiten Paolos — also 1586
geschaffen wurde — und dann später von den Erben zu
dem Schmuck des Grabes verwandt wurde.

Nun bleibt noch Ridolfi als letzter Hauptzeuge gegen
1528 übrig. Zeugen, die sich selbst widersprechen — wie
gesagt, nennt Ridolfi zuerst 1532 als Geburtsjahr, später läßt
er Paolo 1588 achtundfünfzigjährig sterben — gelten billiger-
weise für unzuverlässig. Auch sonst irrt ja Ridolfi nicht
selten bei Daten, bei Tintoretto gibt er 1512 statt 1519 als
Geburtsjahr an, bei dem Neffen Paolos Alvise dal Friso
161t statt 1609 als Todesjahr an und so fort. Ich nehme
an, daß Ridolfi Angaben über das Alter Paolos bei seinem
Tode auf nichts anderem als auf der Inschrift der Büste
in S. Sebastiano fußen, daß also Ridolfi bei deren irrtüm-
lichen Interpretation Cicogna und Biadego vorausging.
Damit scheint mir alles, was Biadego gegen 1528 als Ge-
burtsjahr Paolos vorbrachte, widerlegt zu sein.

Es sei schließlich noch bemerkt, daß auch die frühe-
sten festen Daten aus Paolos künstlerischer Laufbahn für
1528 und gegen 1530 oder gar ein noch späteres Geburts-
jahr sprechen. Das Freskofragment aus Villa Soranza, eine
allegorische weibliche Figur im Seminario zu Venedig, trägt
die Jahreszahl 155t. Das Altarbild, die Versuchung des
hl. Antonius, das Paolo im Auftrage des Kardinal Ercole
Gonzaga für den Dom von Mantua (jetzt im Museum zu
Caen) malte, ist urkundlich im Frühjahr 1552 in Auftrag
gegeben und war im März des folgenden Jahres bereits
vollendet. Aufträge seitens so großer Herren, eines vene-
zianischen Patriziers und eines Kardinals aus fürstlichem
Hause, setzen ein gewisses Können voraus, das Paolo 155t
bezw. 1552 also bereits besessen haben muß, was uns weiter
darin bestärkt — eine Differenz von zwei Jahren bedeutet
ja in der Jugend viel — 1528 und nicht 1530 für das Ge-
burtsjahr des Künstlers anzusehen.

Endlich haben wir uns noch mit einem Passus des
Aufsatzes Biadegos zu beschäftigen, den wir bisher unbe-
rücksichtigt ließen, da er nicht streng zur Frage das Ge-
burtsjahrs Paolos gehört. Schon Pietro Caliari hatte mit-
geteilt, daß die Anagrafe der contrada di S. Cecilia in
Verona von 1541 im Hause des Malers Antonio Badile
»Paulus eius discipulus seu garzonus« 14 Jahre alt nennt
und hatte diesen mit Paolo Caliari identifiziert, der nach
Ridolfi bei Badile lernte, was der Stil der Jugendwerke
bestätigt. Biadego wendet sich nun energisch gegen diese
Identifikation. Sein Hauptargument ist, daß Paolo in den
Anagrafe von S. Paolo des gleichen Jahres im Hause seines
Vaters genannt wird. Biadego hält die zweifache Regis-
trierung ein und derselben Persönlichkeit in zwei ver-
schiedenen Pfarreien für ausgeschlossen.

Auf den Umstand, daß die Anagrafe von S. Paolo
am 6. April, die von S. Cecilia am 2. Mai aufgestellt sind,
darf man wohl kein zu großes Gewicht legen. Immerhin
wäre es möglich, daß die Übersiedelung Paolos aus dem
Elternhause zu Badile gerade innerhalb dieser Zwischen-
zeit erfolgt ist. Aber ist wirklich die doppelte Registrierung
ausgeschlossen? Kleine Versehen sollen selbst in Italien
vorkommen. Pazienza. — Am 14. Januar 1555 gab Vin-
cenzo Zeno dem Steueramt in Venedig an, daß Paolo
Veronese in einem seiner Häuser bei SS. Apostoli wohne1);
am 23. Juni 1555 wird Paulo gelegentlich des Accordo das
Hochaltarbild für Montagnana betreffend als wohnhaft in
Venedig bezeichnet; am 10. November dieses Jahres datiert
Paolo die Sakristeidecke von S. Sebastiano in Venedig und am
1. Dezember schließt er für die Decke der Kirche den Vertrag
ab. Wenn nicht alles trügt, hat also Paolo das ganze Jahr
1555 hindurch in Venedig gewohnt und dennoch führen ihn
die Anagrafe von S. Paolo in Verona von 1555 im Hause
seines Vater auf. Wer 1555 irrt, kann auch 1541 geirrt
haben. Demnach halte ich, daß der 1541 bei Badile ge-
nannte Paulus discipulus mit Veronese identisch ist, nicht
für ausgeschlossen. hadeln.

1) Ital. Forschungen herausgeg. vom kunsthistor. In-
stitut in Florenz, Band IV, p. 145.

NEKROLOGE
o Düsseldorf. Am 10. Februar starb im Alter von
82 Jahren der Landschaftsmaler Morten Müller. Ein ge-
borener Norweger, kam er schon früh an die Düsseldorfer
Akademie, als Mitglied jener skandinavischen Künstler-
kolonie, die sich nach dem Vorgange Tidemands in den
vierziger und fünfziger Jahren in Deutschland niederließ.
Müller war Schüler Hans Gudes und ist in seiner Stoff-
wahl dem Vorbilde des Lehrers treu geblieben.

In London ist der Maler John Mac Whirter im

71. Lebensjahr gestorben, der bereits als Knabe von vier-
zehn Jahren in der Kgl. Schottischen Akademie ausstellte.
Am bekanntesten sind des Künstlers liebenswürdige aqua-
rellierte Landschaften, die dem englischen Publikums-
geschmack entsprechen. Seine Tiroler Bergwiese mit dem
blumenpflückenden Mädchen, in der Täte Gallery, ist eins
der beliebtesten Bilder dieser Sammlung.

In dem verstorbenen Direktor der Kgl. Kunstschule,
Prof. Viktor Paul Mohn, verliert der Senat der Berliner
Akademie der Künste sein langjähriges Mitglied. Die
letzte größere Arbeit des Künstlers, der am 17. November
1842 zu Meißen geboren war, waren die im Auftrage der
preußischen Lnndeskunstkommission geschaffenen Wand-
gemälde für die Kirche in Bornim.

+ München. Am 12. Februar starb hier der Maler
Richard Ebner.
 
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