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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Feldmann, Otto: Ausstellung von Kunstwerken des 19. Jahrhunderts aus Bonner Privatbesitz
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Neuerwerbungen der Albertina in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0126

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Neuerwerbungen der Albertina in Wien

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Sein »Frühlingsreigen« (Sammlung Gemen) leitet
uns von selbst zu den »Jüngsten und Neusten«, die
fast nur in der Graphik zu Worte kommen. Es ist
eine bunte Gesellschaft, die sich da an den Wänden
des Vorsaals tummelt: ein sehr frisches Blumenbild
von Nauen fällt auf (Sammlung Cohen), und auch
Cezanne, der mit einer schönen Lithographie vertreten
ist, wird uns durch eine herbe Landschaft des Fran-
zosen Camoin (Sammlung Gerhardt) vermittelt.

Thorn Prikker versucht in einer großen »Ruhe
auf der Flucht nach Ägypten« durch die Aneinander-
stopplung archaisierender und stilisierender Motive
eine monumentale Wirkung zu erreichen, ohne über
eine amüsante Arabeske hinauszukommen.

Ein paar ironische Grotesken von Mayrshofer
fallen auf — und dann Lithographien von Fantin,
Manet und Gauguin — auch Israels und Liebermann,
Leistikow — und schon oben erwähnt, Signac und
Croß hängen hier friedlich beisammen.

Die Plastik beherrscht ein Abguß der Rodinischen
Age d'airain, ein Geschenk des Künstlers an die Ge-
sellschaft — im übrigen sind nur ein paar zierliche
Kleinigkeiten von Maillol, Barlach und Gaul be-
merkenswert.

Nicht auf eine lückenlose Aneinanderreihung großer
Werke und großer Namen konnte diese Ausstellung
abzielen — aber es galt zu zeigen, was in Bonner
Häusern an moderner Kunst verstreut ist und unwill-
kürlich denkt man wohl an alle die ruhigen Häuser
und stillen Zimmer, in die alle diese so sorgfältig ge-
wählten und zusammengestellten Schätze zurückkehren
werden, um sich wieder bescheiden dem Alltagsleben
einzufügen. OTTO FELD MANN.

NEUERWERBUNGEN DER ALBERTINA IN WIEN

Die XVI. Ausstellung der Albertina bringt in Aus-
wahl die Neuerwerbungen der Jahre 1909—10 an
Handzeichnungen und graphischen Blättern. Von den
älteren Zeichnungen interessieren vor allem die Blätter,
die bei der Auktion Lanna erstanden werden konnten,
und zwar fünfzehn Blätter deutscher, zwei niederlän-
discher und zwei italienischer Provenienz. Die meisten
wurden schon mit anderen Zeichnungen der Samm-
lung Lanna von Meder, dem Direktor der Albertina,
im XI. und XII. Bande seiner »Handzeichnungen alter
Meister« publiziert. Unter den Lanna-Ankäufen sind
bloß zwei deutsche Blätter aus dem 15. Jahrhundert,
eine Federzeichnung, Christus am Kreuz, oberdeutsch
(Meder, XII.) und ein von Meder in die Nähe des
Witz gerücktes hochinteressantes Blatt, Salome mit dem
Haupte des Täufers (Meder, XL), das als »Basler Meister
um 1450« bestimmt wurde. Es ist eine in überaus
feiner Konturierung ohne jede Schraffierung durchge-
führte Federzeichnung. Diesen beiden Blättern schließt
sich als drittes eine oberdeutsche hl. Magdalena aus
dem 15. Jahrhundert an, die bei anderer Gelegenheit
erstanden wurde (Abbildung im Ausstellungskatalog.)
Die größte Zahl der Erwerbungen aus Lannas Besitze
betreffen deutsche Meister des 16. und des angehenden
17. Jahrhunderts. Publiziert sind davon das kleine Pa-
risurteil eines Oberdeutschen (Meder, XII.), ein Rund-

blättchen mit der hl. Margarete und Dorothea (Meder,
XII.), ein kräftiger Scheibenriß von Jörg Breu d. Ä.,
»Odysseus tötet die Freier« (Meder.XI.) (der von Ritter
von Gutmann bei Lanna gekauft und der Sammlung
geschenkt wurde), ein prächtiger Bogenschütze von
Hans Wechtlin (Meder, XII. Bestimmung von H. Röt-
tinger im Jahrb. der Kunstsamml. der Allerh. Kaiser-
hauses XXVII.), ferner eine signierte und 1568 datierte
Formschnittzeichnung, eine Königsfigur, von Michel
Kirmer (Meder XI.), ein hl. Gregor auf rotgrundiertem
Papier von Daniel Lindtmayer von 1573 (Meder, XI.),
aus einer Folge von vier Blatt, von denen die Albertina
bereits zwei besaß, endlich ein köstlich humorvolles
Blatt von Anton Möller aus Königsberg, einen tanzen-
den Schalksnarren darstellend, signiert und datiert 1605
(Meder, XII.). Von Lannablättern sind noch zu nennen
ein hl. Martin von Tours von Chr. Amberger, sowie
eine reizende lavierte Zeichnung von Georg Peham von
1602, Diana und Aktäon. Erwerbungen von Stücken
nichtdeutscher Provenienz aus dieser Sammlung sind
das hochinteressante große Blatt der Enthauptung des
Erzbischofs Udo von Magdeburg in einer großen goti-
schen Kirche (Meder, XII,), die das falsche Monogramm
des Meckenem und die Jahreszahl 1503 trägt, aber eine
altniederländische Arbeit vom Beginn des 16. Jahrhun-
derts ist. Ferner eine weißgehöhte Bister-Gewand-
studie (Meder, IX.), die bei Lanna als deutsche Schule,
wohl auch als Dürer galt, die aber von Meder in die
Nähe der Bellinischule gesetzt wurde; endlich eine
Federzeichnung des Giulio Romano, die bedrängte
Fortuna darstellend.

Wenn der Ankauf solcher Stücke aus heute ge-
suchten Kunstepochen bei der Veräußerung einer be-
rühmten Sammlung für eine große öffentliche Samm-
lung, selbst bei Aufwendung hoher Opfer, selbst-
verständlich und auch notwendig ist, um vorhandene
Lücken in den Beständen zu füllen und auch, um
das Prestige der Sammlung anderen Konkurrenten
gegenüber zu wahren, so steht die Sache anders bei
Ankäufen, die sich auf einem Gebiete bewegen, das
heute nicht allgemeines Interesse erregt und auch noch
nicht gut durchforscht ist und wo man mit guten
Kenntnissen und einem geschulten Qualitätssinn die
prächtigsten Blätter um einen Spottpreis erwerben kann.
Es handelt sich da um die italienischen Meister des
16. bis zum 18. Jahrhundert (die Hauptmeister des
16. Jahrhunderts natürlich ausgeschlossen) und um
deutsche Barockkünstler. Die Albertina ist wohl schon
sehr reich an Werken aus diesen Epochen, aber unter
den neuerworbenen Stücken sind Arbeiten erster Qua-
lität, wie der Mucius Scaevola von Lod. Mazzolino,
eine Heimsuchung Mariä von Parmeggianino, ein
ausgezeichneter Salvator Rosa (»Rosa mit seinem
Freunde im Walde«, auf der Rückseite ein interessanter
von Ozzola publizierter Brief), ein schwungvoller Pietro
da Cortona, zwei prächtige Rötelvorzeichnungen zu
den großen radierten Veduten von Piranesi u. a. m.,
Blätter, die zum größten Teile namenlos en bloc ge-
kauft und von Meder bestimmt wurden. Nicht zu
vergessen ist hier eine (nicht ausgestellte) Zeichnungs-
sammlung von 382 Blatt, die aus dem Ende des
 
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