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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Die Neuerwerbungen des Berliner Kupferstichkabinetts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0041

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ACAD. LESEH.

5-N0V19'0

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 5. 4. November 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

DIE NEUERWERBUNGEN DES BERLINER
KUPFERSTICHKABINETTS

Das Berliner Kupferstichkabinett stellt jetzt die
Haupterwerbungen des Jahres aus, die vor allem in
der glänzenden Reihe von Zeichnungen bestehen, welche
im Frühjahr auf der Versteigerung der Sammlung Lanna
dank der Stiftungen einer großen Zahl von Gönnern
der Berliner Museen angekauft werden konnten.
Die ganz außergewöhnliche und für lange Zeit gewiß
einzige Gelegenheit wurde vor allem dazu benutzt, die
reichen Bestände des Kabinetts an Zeichnungen der
deutschen Meister des 15. und 16. Jahrhunderts nach
Möglichkeit zu vermehren. In erster Reihe erfuhr die
stattliche Dürersammlung bedeutenden Zuwachs durch
nicht weniger als fünf Blätter. Das weitaus wichtigste
unter ihnen entstammt allerdings nicht der Lanna-
sammlung, sondern der Sammlung Duval, mit der es
in Amsterdam bei Muller zur Versteigerung kam. Es
ist ein Blatt mit neun Studien für einen heiligen
Christoph in Federzeichnung, 1521 datiert, also von
der niederländischen Reise stammend. Man wird an
die Stelle im Tagebuch dieser Reise erinnert, wo
Dürer davon spricht, daß er für Patinier vier Christo-
phori zeichnete. Das Blatt ist nicht identisch mit
dem im Tagebuch erwähnten, mag aber mit ihm in
Zusammenhang stehen und erlaubt einen höchst inter-
essanten Einblick in die Schaffensart des Meisters.
Es ist zudem ausgezeichnet durch tadellose Frische
der Erhaltung. Die vier Zeichnungen aus der Lanna-
sammlung sind durch verschiedentliche Publikationen
bekannt. Es ist der Hieronymus in der Zelle, nicht
wie die anderen ein Studienblatt, sondern eine fertig
abgeschlossene Komposition und zugleich ein wich-
tiges Glied in der Reihe der Hieronymusdarstellungen
des Meisters; die nackte Frau mit der Fackel von 1514,
ein Blatt, das inhaltlich noch nicht gedeutet ist, ferner
die Studie zu einem Weltgericht, 1526 datiert, also aus
der spätesten Zeit stammend, und endlich Entwürfe für
zwei Schmuckstücke, die unter Behams Namen gingen,
aber sicher mit gutem Recht als eigenhändige Arbeiten
Dürers angesprochen werden (vgl. E. Bock in den Amt-
lichen Berichten XXXI, Nr. 12). Neben dieser stattlichen
Reihe von Zeichnungen des Meisters ist seine Schule
nur mit einem charakteristischen Blatte Schäufeleins,
das eine Nürnberger Patrizierfrau darstellt, vertreten.

Von den seltenen Zeichnungen des 15. Jahr-
hunderts konnten einige wichtige Stücke erworben

werden, vor allein ein großes Doppelblatt des Haus-
buchmeisters, das einen Fürsten bei der Tafel dar-
stellt, auf der Rückseite eine Messe in Gegenwart des
Fürsten, zwei fertige Bildkompositionen, die sich im
Stil den übrigen dem Meister zugeschriebenen Feder-
zeichnungen anschließen. Interessant ist auch eine
große Zeichnung im Stile des Wolgemut, Gottvater
mit dem Leichnam Christi darstellend. Ferner ist ein
Blatt mit acht weiblichen Heiligen zu nennen und
die Federzeichnung einer älteren Frau in Halbfigur,
die dem Schongauerkreis angehören dürfte. — Von Alt-
dorfer wurden zwei reizvolle Blätter in der bekannten
Art des Meisters erworben, weißgehöhte Federzeich-
nungen auf braungrundierten Papier, die eine 1509
datiert, die Darstellung als Thisbe beim Leichnam des
Pyramus nicht ganz sicher gedeutet, die andere von
1512, mit dem heiligen Georg als Drachentöter. Eine
sehr feine Landschaft Wolf Hubers von 1538 schließt
sich an. In den bayrischen Kunstkreis gehört endlich
auch eine Enthauptung des Täufers, eine feine male-
rische Federzeichnung, die Anklänge an den Stil des
Meisters M. Z. aufweist. Sie stammt zusammen mit
der erwähnten Zeichnung im Wolgemutstil aus der
Sammlung Campe und wurde von Frau Töpelmann-
Vieweg dem Kabinett überwiesen. Zwei weißgehöhte
Kohlezeichnungen, die beiden Schächer am Kreuz
darstellend, die früher stilistisch mit Grünewald in
Zusammenhang gebracht wurden, werden jetzt mit
guten Gründen als Jugendarbeiten Cranachs ange-
sprochen, mit dessen Schleißheimer Kreuzigung und
frühen Holzschnitten sie übereingehen. Dem jüngeren
Cranach wird auf Grund der Übereinstimmung mit
der Reihe ähnlicher Arbeiten im Museum zu Reims
die Ölstudie zum Porträt eines jungen Mädchens zu-
gewiesen, die im Auktionskatalog unter dem Namen
des Francis Clouet ging. Die schwäbische Schule
repräsentiert ein Marientod, der in die Richtung des
Zeitblom gehören mag, und eine außergewöhnlich
sorgfältige Zeichnung des Jörg Breu mit dem Auszug
der Apostel. Von Schweizern ist Nikolaus Manuel
Deutsch mit einer großen weißgehöhten Tuschfeder-
zeichnung, einen Bannerträger mit einem Mädchen
darstellend und 1516 datiert, vertreten, Hans Franck
mit einem sauber gezeichneten Blättchen, einer Hexen-
darstellung von 1515.

Aus dem von der Kunstgeschichte meist stief-
mütterlich behandelten niederländischen 16. Jahrhun-
 
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