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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Storck, Willy F.: Der Meister des Hausbuchs als Zeichner für den Holzschnitt
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0217

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4og

Nekrologe

410

möchten eine und dieselbe Person sein. Die Ausführungen
Flechsigs in diesen Punkten kann ich momentan nicht im
einzelnen nachprüfen und referiere also: Die fünfte deutsche
Bibel, die bisher noch nicht bestimmt lokalisiert wurde,
möchte er für ein Erzeugnis der Kunst des Hausbuchmeisters
in Anspruch nehmen. Die Mundart ist mittelrheinisch, und
es wäre nicht ausgeschlossen, daß Speier als Druckort in
Betracht kommt; wahrscheinlicher istallerdings Ulm. Aismut-
maßliches Druckjahr nimmt er 1477. Die Untersuchungen
Flechsigs über des Meisters »Ulmer Tätigkeit« sind noch
nicht abgeschlossen, er glaubt des Meisters Hand erkennen
zu dürfen in Steinhöwels Äsopiibersetzung (wohl kurz vor
1480), im Boccaccio *De claris mulieribus* (1473) und in
Steinhöwels Boccaccio-Übersetzung (1473), ferner in einem mit
ein paar Holzschnitten ausgestatteten Druck des Konrad
Fyner in Eßlingen. Auch ein Gemälde aus des Meisters
Ulmer Zeit glaubt Flechsig namhaft machen zu können:
eine Enthauptung Johannes des Täufers in der Karlsruher
Gemäldegalerie (Nr. 35). (Es gehört dazu überdies die
Rückseite mit der »Geißelung Christi«, die, auseinander-
gesägt, heute neben der Vorderseite hängt.) Ich sehe die
Gründe wohl, die Flechsig zu dieser Attribution ver-
anlassen, und gebe verwandte Züge in dem Kopf des
Herodes und vor allem in den hinter der Steinbrüstung
lehnenden Gestalten zu. Trotzdem erscheint mir auch nur
die Möglichkeit einer eigenhändigen Arbeit ausgeschlossen;
das Karlsruher Bild gehört allerdings zu einer Gruppe
(oberschwäbischer) Bilder, deren Beziehung zum Haus-
buchmeister noch einer Klärung bedarf.

Zum Hausbuch selbst macht Flechsig einige Bemer-
kungen. Scharf wendet er sich gegen die Aufteilung der
Planetenbilder an verschiedene Hände, die er als einen
Unfug bezeichnet. So schlimm scheint mir denn die Sache
doch nicht, und ich behaupte nach sehr eingehender Prü-
fung des Originals noch heute, daß bei der Ausführung
auch der Planetenbilder drei Meister beteiligt waren. »Und
zwar dürften Mars, Sol und Luna von dem Hausbuchmeister
selbst herrühren, während Saturn und Merkur von einer
zweiten, Jupiter und Venus von einer dritten Hand aus-
geführt sein dürften. Auf dem Venusbild ist die Badehaus-
szene später von dem zweiten Meister [oder Gesellen!]
hinzugefügt worden. Doch diese Feststellung gibt uns
noch nicht das Recht, drei gesonderte Individualitäten zu
scheiden, da alle Darstellungen den gleichen Stilcharakter
zeigen und die Verschiedenheiten nur der ausführenden
Hand zu danken sind«. (Monatsh. f. Kw. 1910, p. 286).
Ich verweise bei dieser Gelegenheit noch auf die Äuße-
rungen von Beth (Die Baumzeichnung in der deutschen
Graphik des 15.—16. Jh. Stud. z. d. Kunstgesch. 130, p. 44),
der die Ausführung von verschiedenen Künstlerhänden
schon wegen des Unterschiedes in ihrer Baumzeichnung
fordert. Die von Bossert vorgeschlagene Deutung der In-
schrift als Künstlersignatur lehnt Flechsig (wie auch ich)
ab; doch scheint mir die Lesung »Henrich Lang f« als
solche gesichert. Zur Datierung verweist Flechsig auf eine
Stelle des Textes: »vor den Kreps ... Das is dez hertzogen
von Luthringen stück, do in sust mit nicht geholffen kuntt«.
Daß die Stelle von niemanden gelesen wurde, stimmt nicht
ganz; Bossert z. B. erwähnt sie in einer Anmerkung seines
Aufsatzes (Schauinsland 1910, p. 11g). Flechsig bezieht die
Stelle auf die Krankheit des Herzogs Reinhard II. von
Lothringen im Winter 1481—82.

Der Aufsatz von Flechsig hat auf Grund sehr eingehen-
der Forschungen viel neues und beachtenswertes Material
geboten und neue Wege gewiesen, die die Forschung
weiter zu verfolgen hat und bereits tut. Dr. M. Geisberg
hatte die Freundlichkeit, mir mitzuteilen, daß er eine Reihe
von Einzelschnitten, die bei Schreiber (Manuel de l'amateur

de la gravure sur bois I/II) verzeichnet sind, für Original-
arbeiten des Hausbuchmeisters hält und zwar folgende
Blätter: Geburt Christi, Berlin (Sehr. 70), Kreuztragung,
München, Rosenthal (Sehr. 354), Kalvarienberg, Nürnberg
(Sehr. 484), Beweinung, Maihingen und Berlin (Sehr. 514),
Grablegung, Berlin (Sehr. 531), Christuskind mit Blumen,
Berlin (Sehr. 821), Jesuskind mit Nonne, Paris (Sehr. 824),
Madonna in Halbfigur, Wien, S. Przibram (Sehr. 998), Ma-
donna von Engeln gekrönt, Wien (Sehr. 1123), Dominikus,
Dresden (Sehr. 1388). — Kein Meister steht eben so sehr
im Mittelpunkt des Interesses. Und schon hört man von
neuen Entdeckungen, die uns demnächst dargeboten werden.
Es wird sich daher fast empfehlen, dem Meister eine
ständige Chronik zu widmen, wie kürzlich vorgeschlagen
wurde.

P. S. Um nicht noch an anderer Stelle das Wort er-
greifen zu müssen, füge ich hier einige Bemerkungen über
die Auslassungen von A. v. Wurzbach in dem III. Band
seines Niederländischen Künstlerlexikons an, wo S. 201—211
über den Meister des Hausbuchs gehandelt wird. Es ist
nicht nötig, auf alle die vielen unrichtigen und oberfläch-
lichen Behauptungen einzugehen, die sich in diesem so
sicher und siegesgewiß auftretenden Extrakt finden. Nur
einige herausgegriffene Beispiele sollen dem Leser einen
Begriff geben von der Kompetenz des Gesagten. Nichts-
sagende (und allerseits bekannte) Erörterungen über den
Text des Hausbuches (den natürlich wieder nur Herr von
Wurzbach gelesen hat) leiten die Sache ein. Es folgen
Ausführungen über die Miniaturen und Zeichnungen des
Hausbuchs, von denen die wohl am interessantesten ist,
daß die dritte Gruppe von Handzeichnungen (Badehaus,
Weiherhaus, Turnier usw.) von Erwin von Stege, dem
Meister E. S. (des Dr. v. Wurzbach) herrührt!! Reiherfedern,
Brokatmuster und altböhmische Leibröcke liefern billiges
Beweismaterial. Ein weiterer Abschnitt: Zeichnungen jener
zwei Meister, von welchen die Blätter des Hausbuches her-
rühren, bieten den Hinweis auf mehrere 'Dürerfälschungen*,
die Herr von Wurzbach als Werke der Hausbuchmeister
erkannt hat (drei Landsknechte, Reiterzug usw.)!!! Von
seiner Betrachtung der Stiche ist neu die Behauptung: der
sich kratzende Hund sei gewiß nicht vom Hausbuchmeister!!
— Daß v. Wurzbach sämtliche von der Forschung dem
Hausbuchmeister zugewiesenen Gemälde nicht für eigen-
händig hält, sondern als von »geschickten Dorfmalern ohne
das geringste selbsteigene Kompositionstalent, leidlich zu-
sammengetragen« betrachtet, ist weiter nicht schlimm.
Wohl aber, daß man dann die Bemerkung liest: »wenn
er überhaupt gemalt hat, so rührt von ihm ein kleines
jugendliches Porträt in Nürnberg her (Klass. Bilderschatz
X> 1358), welches dort als A. Dürer figuriert und dessen
Physiognomie, Tracht und Haltung eine unleugbare Ver-
wandtschaft mit den Jünglingen der Kupferstiche des Meisters
des Amsterdamer Kabinetts zur Schau trägt«! — aber auch
nicht die Spur!! — Auch über die Person des Meisters
vermag der vielwissende Autor Andeutungen zu machen:
»Es wäre nicht unmöglich, daß er ein Sohn des Malers
Hans von Zürich gewesen ist, des Freundes oder Schwagers
des Erwin von Stege, weil sich durch diese Verwandtschaft
die schweizerischen Beziehungen zu den Goldast, die ge-
naue Kenntnis der Stiche des E. S. und die merkwürdigen
Analogien in den Zeichnungen der Planetenfolge mit jenen
der Gruppe III des Hausbuchs erklären ließen.« (!!)

NEKROLOGE
Der Historien- und Porträtmaler Gustav Goldberg
ist am 8. Mai in München im Alter von 64 Jahren ge-
storben (geb. zu Krefeld am 9. Juni 1856). Goldberg, ein
Schüler W. v. Kaulbachs, Rambergs und Pilotys, hat als
 
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