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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0208

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391

Nekrologe — Personalien — Weltbewerbe — Ausgrabungen

392

Unter den Neubauten verdient ein kleiner Palast ge-
nannt zu werden am Ponte delle guglie, gegenüber dem
Palazzo Labbia, die Ecke bildend. Der Architekt dieses
kleinen aber interessanten byzantinischen Baues ist derselbe
Martuzzi, der das reizende kleine Haus auf dem Campo
S. Zaccaria errichtet hat. — Das gotische Gebäude neben
Palazzo Rezonico am Canal grande, von dem ebenfalls
noch jungen Architekten Berti, ist der Enthüllung nahe,
ebenso der altbyzantinische Palast in Corte del Teatro bei
S. Angelo. — Von etwas fraglichem Stilgemisch ist die
große Fassade am BaccinoOrseolo, hinter dem Markusplatze,
von Sulam erbaut. — Wichtiger als alle bisherigen Neubauten
sind die großen Projekte für die Errichtung eines neuen Stadt-
viertels auf der Insel St. Elena. Der Stadtverwaltung liegen
verschiedene Entwürfe vor. Die des Architekten Sardi
und des Genuesen Pesce machen sich den Rang streitig
und sind in Betracht gezogen worden. Nach einigen sehr
bewegten Kommunalsitzungen wurde die Entscheidung auf
zwei weitere Monate vertagt. Es handelt sich darum,
Wohnungen für 20000 Seelen zu schaffen, welche hier in
der Stadt selbst nicht mehr untergebracht werden können.
So lag der Gedanke nahe, die dem Volksgarten so nahe
gelegene Insel Sta. Elena zu bebauen.

Für den venezianischen Kunstpalast der römischen Aus-
stellung hat Professor E. Tito in einem kolossalen runden
Deckengemälde in allegorischen Gestalten Venedigs Ruhm
der Vergangenheit und seine Handelstätigkeit unserer Tage
in brillanter Weise dargestellt. Im Stile Tiepolos hat der
geniale Maler ganz Außerordentliches geleistet. Nicht minder
überraschend sind die Seitenbilder von der Hand des tüch-
tigen V. Bresanin, der auch hier, wie früher bei der Decken-
malerei im Saale des Konservatoriums, mit noch größerer
Energie und prachtvoller Farbe einen genialen Wurf getan
hat. Auch das große Mittelbild sowie die beiden Seitenbilder
haben die Gloria Venedigs zum Gegenstand. Auf dem Seiten-
bilde thront oben die Venezia, während zu ihren Füßen sich
mächtige Oestalten friesartig gruppieren, die Vertreter einsti-
ger venezianischer Größe im Krieg und Frieden. Alles im
Kostümdes 16 Jahrhunderts. Auf dem Seitenbilde zur Rechten
ist man damit beschäftigt, eines der vier ehernen Pferde
über dem Portale der Markuskirche aufzustellen. Das Bild
zur Linken versetzt uns ins 17. Jahrhundert. Auf dem Ver-
deck einer Galeere feuert der Befehlshaber seine Unter-
gebenen zu Mut und Ausdauer an. Das Mittelbild voller
Majestät und Ruhe kontrastiert aufs Schönste mit den be-
wegten Gruppen die genannten zwei Höhenbilder. Nach
Schluß der Ausstellung sollen die genannten Gemälde im
Palast der hiesigen Stadtverwaltung einen Platz erhalten,
in deren Auftrag sie angefertigt wurden.

Mit einer Todesnachricht muß ich diese Mitteilungen
schließen: Unter tragischen Umständen verlor die hiesige
Künstlerschaft einen ihrer Besten: Hugo Valeri stürzte aus
dem vierten Stockwerk des Palazzo Pesaro in den Hof
herab. Eine Ausstellung seiner genialen Zeichnungen und
Aquarelle erregte diesen Sommer im Palazzo selbst das
größte Aufsehen. Er war im Begriffe, seinen Aufenthalt
in Paris zu nehmen, wo er leicht die ihm wahlverwandten
Radierer des vielbewegten Straßenlebens in all seinen
Erscheinungen der auffallendsten Art, die Verkommenheit
der Nachtschwärmer und Straßendirnen, durch die wunder-
bare Art seiner vortrefflichen, kaum hingeworfenen Zeich-
nung und durch eine grausame Ironie in den Schatten gestellt
haben würde. Was im Palazzo Pesaro damals ausgestellt
war, übertraf alles, was man bisher auf unsern internatio-
nalen Ausstellungen in diesem Genre gesehen hatte.
Valeri war 30 Jahre alt. a. Wolf.

NEKROLOGE
In München ist am 16. April der Maler Professor
Joseph Weiser im Alter von 64 Jahren gestorben, ein
Schüler von Wilhelm von Diez. Er war am 10. Mai 1847
in Petzschkau in Schlesien geboren. Ende des vorigen
Jahrhunderts war er als Genremaler in aller Munde. In
weiten Kreisen bekannt geworden ist u. a. ein Kolossal-
bild »Die unterbrochene Trauung«, das nach einer Rund-
reise in Deutschland auch in Amerika gezeigt wurde.
Später schuf er Porträts und Studienköpfe.

Maximilian Alexander Freiherr Speck von Stern-
burg ist am 28. April in Lützschena bei Leipzig im 90.
Lebensjahre gestorben. Die Kunst hat in ihm einen vor-
nehmen Förderer verloren. Er vermehrte die ihm bereits
von seinem Vater hinterlassene große und wertvolle Samm-
lung von Kunstschätzen aller Art, in der besonders zahl-
reiche alte niederländische Meister hervorragen.

Petersburg. Am 4 /17. April endete durch Selbst-
mord in momentaner Geistesstörung der bekannte Land-
schafter Konstantin Kryzicki. Den Ausbruch des Leidens,
das sich in den letzten Wochen durch gesteigerte Nervosität
ankündigte, beschleunigten Angriffe in der Tagespresse,
die Kryzicki Plagiate vorwarfen. Der Verstorbene gehörte
zu den beliebtesten und geschätztesten Gliedern der älteren
Künstlergeneration Petersburgs.

PERSONALIEN
Die beiden diesjährigen Villa Romana-Preise sind von
der Jury des Deutschen Künstlerbundes unter Vorsitz von
Professor Graf von Kalckreuth dem Berliner Maler Fritz
Rhein und dem ebenfalls in Berlin-Wilmersdorf ansässigen
Bildhauer Ludwig Cauer zuerkannt worden. Cauer, ein
Begas-Schüler, ist bereits früher mehrfach ausgezeichnet
worden, u. a. erhielt er 1900 in Berlin eine kleine goldene
Medaille. — Über den dritten Preis wird die Entscheidung
noch erwartet.

Als Nachfolger des verstorbenen Prof. Dr. Hans Puch-
stein ist Professor Dr. Hans Dragendorff in Frank-
furt a. M. zum Generalsekretär des deutschen archäolo-
gischen Instituts berufen worden. Prof. Dragendorff, der
im 41. Lebensjahre steht, ist zurzeit bereits in leitender
Stellung im archäologischen Institut tätig. Er leitet als
Direktor dessen römisch-germanische Kommission.

Rafael Schuster-Woldan, dem Schöpfer der Monu-
mentalmalereien im Bundesratssaale des Reichstagsgebäudes,
ist der Titel als Professor verliehen worden.

St. Petersburg. Dem Direktor der Kaiserlichen Ere-
mitage Graf Dm. J. Tolstoi wurde zu Ostern das Großkreuz
des St. Stanislaus-Ordens verliehen.

WETTBEWERBE
Zu dem Wettbewerb um Entwürfe für ein württem-
bergisches Reformationsdenkmal in Stuttgart sind 67
Arbeiten eingelaufen. Vier Arbeiten wurden mit je einem
Preis von 1000 Mark ausgezeichnet, die der Bildhauer Ge-
brüder Walz in Mannheim, Jakob Brüllmann in Stuttgart,
Emil Hippe in Gemeinschaft mit A. Morel in Stuttgart,
Hermann Lang-Stuttgart. Diese Künstler werden zu einem
engeren Wettbewerb um die Ausführung eingeladen.

AUSGRABUNGEN
Korfu. Die Ausgrabungen, welche die griechische
archäologische Gesellschaft in Chalkiopoulos auf Korfu,
unweit der Stadt Korfu begonnen hat und die jetzt auf
Kosten des deutschen Kaisers unter Oberleitung Professor
 
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