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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Deutsche graphische Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0049

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21.N0V191O

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

MMN«

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 6. 18. November 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur «Zeitschrift für bildende Künste monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
_Lrapzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

DEUTSCHE GRAPHISCHE AUSSTELLUNO
IN LEIPZIG.

Auf Veranlassung der Leipziger Künstlerschaft wurde im
Deutschen Buchgewerbemuseum kürzlich eine Graphische
Ausstellung eröffnet, die über das Graphische Schaffen
unserer Künstler in ziemlich eingehender Weise orientiert.
Die Graphik ist von jeher nicht der schlechteste Teil unserer
deutschen Kunst gewesen und nicht selten geschieht es,
daß ein Künstler, der ein mittelmäßiger Maler ist, Vor-
zügliches leistet, wenn er sich auf das — äußerlich nicht
so angesehene Gebiet der zeichnenden Künste begibt.
Trotzdem es nicht selten bei uns in etwas dilettantischer
Weise gepflegt wird, besitzen wir doch eine große Anzahl
von Künstlern, die hervorragende Graphiker sind, Graphiker
von Empfindung und Können, die nicht die Nadel und
das Schneidemesser zur Herstellung von Dingen miß-
brauchen, die aussehen wie mechanische Reproduktionen
nach Gemälden und die so viel von reinem, künstlerischem
Geist in sich verspüren, um nicht die Mittel der Graphik
zu langweiliger Illustrierung nichtssagender »Ideen« zu be-
nützen. Es hat wirklich den Anschein, als ob die Zahl
temperamentvoller, fähiger Graphiker bei uns erheblich
gewachsen ist, ebenso haben sich schon ganz deutlich
einzelne »Schulen« gebildet, die im Kleinen ganz gut den
Charakter unserer Kunstzentren widerspiegeln.

Da die Veranstaltung der Sammlung von Leipzig aus-
ging, wurde den Künstlern dieser Stadt relativ viel Platz
eingeräumt. Von Klinger, den es töricht wäre, irgendwo
anzuordnen, sind die drei letzten Blätter, Krieg, Herr-
scher, Philosoph aus dem Zyklus vom Tode II ausgestellt,
von denen besonders das letzterwähnte zu den reifsten
Schöpfungen des Meisters gehört. Zwei Rahmen mit
Studien von M Seligerwirken außerordentlich frisch, auch die
Zeichnungen von Horst-Schulze, O R. Bossert, Erich Gruner,
dann vor allem von Lisa Hofmann sind nicht ohne Quali-
tät, die Radierungen von B. Hiroux sind technisch sehr
geschickt gemacht, aber oft etwas langweilig, und ähnliches
ist auch von den ganz biederen Arbeiten von A. Leistner
zu sagen. Eine weit kraftvollere Persönlichkeit verraten
die Lithographien von Martha Schrag-OntmwWz. Ein sehr
flotter Schilderer Dresdner Lebens ist F.R.Scholz, bekannter
als seine Zeichnungen sind die Radierungen von W. Zeising,
die dasselbe Thema behandeln in einer sehr guten, sym-
pathischen Weise, die offenbar etwas von Otto Fischer
beeinflußt ist, dem führenden Graphiker von Dresden;
denn Richard Müller, der übrigens auf der Ausstellung
sehr gut vertreten ist, gehört doch zu sehr zur alten Schule,
um noch irgendeine tiefere Wirkung ausüben zu können.
Fischer hat sich übrigens in letzter Zeit mehr von dem
englischen Einfluß freigemacht, dem er lange unterlegen
ist. Von großem malerischen Reiz sind die Aquarelle von
R. Dreher und Rob. Sterl zeigt sich als flotter Zeich-

ner; endlich ist noch G. Gelbke zu nennen, der in seinen
»Glossen zum Fettbürgertum« sehr drollige, etwas an
Busch gemahnende Blätter gezeichnet hat. Als Repräsen-
tant von Weimar hat Ludw. von Hofmann eine große An-
zahl seiner Zeichen-Studien ausgestellt, die so reizvoll
Liebenswürdigkeit mit stilvoller Gestaltung verbinden. Ein
Blatt wie die »Blumenpflückenden Mädchen« geben bei-
nahe ebensoviel wie seine ausgeführten Gemälde. Marga-
rete Geibel pflegt den Farbenholzschnitt mit einigem Glück;
anstelle des stark farbigen Goethehaus-Interieurs sind
einige kräftige landschaftliche und figürliche Blätter zu
sehen. Georg Greve-Lindau, der seit kurzem zu den
Weimaranern zu zählen ist, hat eine Anzahl sehr ehrlicher,
gelegentlich etwas an Kalckreuth erinnernder Radierungen
ausgestellt. Von den Wienern treten nur Pollak und
höchstens noch Augustin als treffliche Meister der Radier-
nadel hervor, sie haben beide die Eigenschaft, wirklich
graphische Werte in der Radierung zum Ausdruck zu
bringen. Recht gut ist dann auch das Wenige, was von
Schweizer Künstlern ausgestellt ist; die Lithographien des
Züricher Künstlerbundes haben sehr viel Charakter und
übertreffen beinahe die Arbeiten des Karlsruher Künstler-
bundes.

Die Abteilung München gehört mit zu den reichhaltig-
sten der Ausstellung. Die alte Tradition ist hier eben
doch noch am meisten wirksam, daher ist hier die größte
durchschnittliche Höhe zu finden, wenn auch die Gefahr
nicht ferne scheint, zu verflachen. Die Graphik ist in
modernen Zeiten zu einem Mittel rein individuellen, ganz
persönlichen künstlerischen Ausdrucks geworden, das jeden
praktischen Zweckes entkleidet ist und daher dann die
größten Werte hervorbringt, wenn es ganz frei und ganz
persönlich gehandhabt wird. Die fatalen Radierungen ge-
wisser Dachauer Künstler, die Heliogravüren zum Ver-
wechseln ähnlich sehen, gehören in das Kapitel »Kunst-
gewerbe in der Graphik«, sie sind nur gefällig, aber nicht
geschmackvoll. O. Felber, dann auch E. Liebermann ge-
hören zu ihnen — von O. Graf ist nichts ausgestellt —,
auch Klemm und Thiemann passen in die Nähe, wenn
sie auch bei weitem geschickter arbeiten. Die Holz-
schnitte von H. Neumann sagen nicht viel mehr als das,
was man von früher schon weiß, ganz gut sind die Holz-
schnitte von Joh. Metzner und die Lithographien von
Laura und Helene Lange. Damenkunst, aber ganz ge-
schmackvoll. Ein außerordentlich sympatischer Künstler ist
H. Röhm, nicht schlecht sind auch die kräftigen Holzschnitte
von R. Graef, der aus dem Simplizissimus bekannt ist.
Die Radierungen von W. Geiger (»Der Skandal«, »Jour
fixe« usw.) gehören gewiß zu den bedeutendsten Leistungen
der Art auch ohne die geistreiche Pointe; Joseph Uhl ist
etwas liebenswürdiger, aber nicht weniger phantasiereich.
Die quattrocentistisch anmutenden Kompositionen von
 
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