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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Feldmann, Otto: Ausstellung von Kunstwerken des 19. Jahrhunderts aus Bonner Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0125

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4-FEB19H

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Man«

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 15. 3. Februar 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der lahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der * Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

AUSSTELLUNG VON KUNSTWERKEN
DES 19. JAHRHUNDERTS AUS BONNER
PRIVATBESITZ

Man meint immer ein leises Rüchlein unmodischer
Gelehrsamkeit zu spüren, wenn man durch die stillen
Straßen Bonns spaziert, und wenn man durch die
kahlen Vorgärtchen sieht, malt man sich hinter den
dicht verhangenen Fenstern lauter beschauliche Ge-
lehrtenstüblein aus, in denen man kaum halblaut spricht
und in denen nur da und dort ein ruhiges Bild über
den Schreibtischen und zwischen den hohen Bücher-
gestellen hängt.

Und gerade so, wie man sich's ausmalt, gedämpft
und ruhig sind die Bilder in der Ausstellung neu-
zeitlicher Kunst, die Dr. Cohen im Auftrage der »Ge-
sellschaft für Literatur und Kunst« aus Bonner Privat-
besitz zusammengestellt hat.

Und es sind auch eigentlich die alten Klassisch-
Abgeklärten, die das Wort führen in dieser Rundschau:
Manet und Feuerbach, Overbeck und Spitzweg; man
hat die lärmende Jugend in das Vorsälchen verwiesen,
wo sie sich austoben darf.

Von Manet ist ein kleines köstliches Bild da aus
der Sammlung Clemen (die wohl das Wertvollste zu
dieser Schau gestellt hat): eine kleine Reitergruppe
auf hellen Pferden im morgendlichen Bois. Eine
rotblonde Dame in blaßviolettem Kleid, umgeben von
dunkel gekleideten Kavalieren. Nur wenige farbige
Töne, ein düsteres Rot und Blau inmitten von sattem
leuchtenden Grün — es liegt viel Märchenstimmung
in dem Bildchen — etwas, das an Schwind erinnert
und doch ohne alle Elfen und Zwerge!

Feuerbach ist mit zwei kleinen Bildern vertreten:
eine kleine Orientalin, der Katalog nennt sie Mirjam,
zeigt in Form und Farbe noch starke Anlehnung an
die gleichzeitigen französischen Orientmaler Decamps-
Fromentin — kaum mag man hier und da — in der
Vereinfachung der Zeichnung und im Auslassen aller
allzufeinen Einzelheiten den späteren Feuerbach darin
entdecken.

Das zweite Bildchen — sie stammen beide eben-
falls aus der Sammlung Clemen — ist älter und noch
ganz akademisch in Formgebung und Inhalt.

Ein Spitzweg (Sammlung Reusch): ein alter gelb-
gefrackter Postbote von Anno dazumal in einem wink-
ligen altstädtischen Gäßlein — ist fast überladen mit
allerlei anekdotischem Klein werk, aber wie der gelb-

grünliche Frack in diesem Gelbdunkel »steht«, das
ist auch rein malerisch ein delikates Stücklein.

Den Ehrenplatz in der Ausstellung hat man mit
Recht einem Nazarenerbild zugewiesen, einem Werke
Overbecks:

In einer wunderbar fein und zierlich stilisierten
Landschaft erscheint der auferstandene Christus der
Maria Magdalena. Es liegt eine innige Ruhe über
dem Bild: Berge und See, Bäume und Wiesen in
den tiefen, satten Farben des frühen Morgens und
hinten zwischen den Büschen die wandelnden Ge-
stalten zweier Jünger. Dieser einfachen, fast monu-
mentalen Landschaft zuliebe übersieht man gerne das
Schemenhafte der beiden Hauptfiguren (Sammlung
Clemen).

Das einzige Bild, das eine innere Verwandtschaft
mit diesem Gemälde aufweist, ist ein kleiner amü-
santer Puvis de Chavannes, in dem der Franzose
eines der pathetischen Fresken del Sartos mit ganz
sparsamen Mitteln in seine einfachere Formensprache
übersetzt hat.

Ein Grüpplein Holländer bildet den Übergang
zu den Neuern; zwar sind Bosboom und Israels,
Mauve und Artz nur mit kleinen Studien vertreten —
dagegen sieht man von Jan Veth ein großes frühes
Werk (Sammlung Bülbring), ein mattviolett gekleidetes
Mädchen in einer neblig-grünen Landschaft, einfach
gesehen und wiedergegeben.

Jacob und Willem Maris' farblose — oder un-
farbige Pinseleleganz will uns freilich kaum mehr
zusagen, und recht unangenehm und süßlich ist ein
in altholländischer Art behandelter Leys.

Von Thoma, der in Bonn stets eine kleine treue
Gemeinde hatte, ist nur eine frühe, wunderlich co-
rotisierende Sumpflandschaft vorhanden (Sammlung
Schümm). Besser ist Trübner zu studieren: neben alten
Bildern aus der Münchener Zeit ein Blick über das
Heidelberger Schloß in einer herben — fast stili-
sierten blaugrünen Landschaft. Das Bild erinnert
etwa an jene alten farbigen Veduten aus dem An-
fang des ig. Jahrhunderts.

Und nun zu den »Jungen«; unter ihnen ragt
Ludwig von Hofmann hervor: zwei Bilder zeigen
recht hübsch seine Entwickelung von den glatten
porzellanenen Eleganz Zorns zu den bunten frohen
Farbensymphonien, die er unter dem Einflüsse jung-
französischer Farbenfreudigkeit schafft.
 
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