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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Waldmann, Emil: Von der Gemäldesammlung in Athen
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Münchener Sommer-Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0077

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 9. 16. Dezember 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Künste monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann,
L"P*ig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

VON DER GEMÄLDESAMMLUNG IN ATHEN
Der griechische Staat besitzt in Athen eine Anzahl
von Gemälden alter und neuer Meister, die von einigen
Privatleuten, Xenos, Aweroff und anderen, geschenkt
wurden. Die Sammlung ist bisher fast unbekannt
geblieben, weil die Bilder nicht zugänglich gemacht
werden konnten, und auch nachdem die Pinakothek
im Jahre 1901 formell begründet wurde, konnte sie
der öffentlichen Benutzung noch nicht übergeben
werden. Da aber ein Teil der Kunstwerke von wissen-
schaftlichem Interesse und künstlerischer Bedeutung
ist, möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Bericht
geben und dann in der »Zeitschrift für bildende
Kunst« die wesentlichsten Werke mit Abbildungen
publizieren, soweit dies bei dem Mangel an Fach-
literatur von hier aus möglich ist.

Abgesehen von einigen hervorragenden byzanti-
nischen Tafelbildern aus dem hohen Mittelalter, die im
Historischen und im Nationalmuseum aufbewahrt
werden, stehen im Vordergrunde natürlich die italie-
nischen Schulen. Entsprechend der in Griechenland
heimischen Kunsttradition spielen hier die Venetianer
die Hauptrolle. Ich nenne an erster Stelle zwei Öl-
gemälde von Giovanni Battista Tiepolo. Das eine ist
eine zwei Meter breite und anderthalb Meter hohe
Darstellung von Rebekka und Elieser, wahrscheinlich
zwischen 1735 und 1740 entstanden; sie steht dem
Stile der Fresken in der Vilmarana-Villa in San Se-
bastiano bei Vicenza (1737) nahe. Das andere, eine
sehr kräftige, weitgeführte, bildmäßige Studie eines
»Christus am Ölberg«, aus der Blüteperiode zwischen
1740 und 1750, erinnert in seiner ganzen Auffassung,
Haltung, sowie in der hohen Qualität an die Kreuz-
tragungsstudie für das San Alvise-Fresko, die das
Berliner Museum vor vier Jahren in London erworben
hat. — Von Paolo Veronese ist ein großes, leider sehr
übermaltes Stück, »Esther vor Ahasver«, vorhanden,
ein Fragment aus einer mächtigen Wandmalerei in Öl.
Die Tizianzeit wird durch einige zum Teil sehr gute
Repliken der Imperatorenbilder von der Hand Zelottis
vertreten, der zu diesen Idealporträten auch eine Reihe
weiblicher Gegenstücke geschaffen hat, Kaiserinnen
vor römischen Ruinen, in wirkungsvoll dekorativer,
aber gediegener Manier. Kunstwissenschaftlich am
interessantesten ist vielleicht eine Anbetung der Könige
aus dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, ein
Bild, in dem sich Einflüsse von Carpaccio, Giorgione

und Cima da Conegliano kreuzen. Leider ist dieses
bedeutende Werk in nazarenischer Zeit schändlich
übermalt und entstellt worden, so daß man die Haupt-
gruppe wahrscheinlich ganz preisgeben muß. Das
Bild scheint einstmals berühmt gewesen zu sein, es
existiert im königlichen Schloß eine Kopie aus dem
Jahre 1862.

Von anderen italienischen Schulen sind die Bo-
lognesen mit einigen großdekorativen Arbeiten ver-
treten, dann die Neapolitaner. Zwei schöne Breit-
bilder mit Szenen aus der Geschichte Josephs sind
dem Luca Giordano zugeschrieben, gehören aber
wahrscheinlich einem Anonymus in der Art des
»Meisters des sterbenden Cato«.

Nächst den Italienern, von denen noch ein Kabinett
mit Handzeichnungen von Meistern des 17. und
18. Jahrhunderts vorhanden ist, spielen die Franzosen
des Dix-Huitieme eine Rolle, mit zwei prächtigen
Bouchers (einer Puttenszene und einem feinen kleinen
Aktbild), einem Halbakt von Greuze und einem Knaben-
bildnis von Chardin. Unter den Franzosen des 19.
Jahrhunderts seien drei feine Stilleben von Fantin-
Latour genannt.

Die von dem verstorbenen Wohltäter Athens,
Aweroff, gestiftete Bildersammlung enthält vorzüglich
Bilder von modernen griechischen Malern, z. B. ein
großfiguriges Genrewerk von Jakobides und ein
Dutzend Arbeiten von Nicolaus Gysis von verschie-
dener Art und Qualität.

Man sieht an diesem kleinen Register, daß in
Athen der Grundstock zu einer Gemäldesammlung
vorhanden ist und daß die Stadt eines Tages eine
Bildergalerie haben kann. Ob es dahin kommen
wird, ist einstweilen zweifelhaft, denn die Gemälde
sind einem^sicheren Untergang geweiht, wenn sie
nicht von ihrem jetzigen Aufenthaltsort entfernt werden.

E. WALDMANN.

MÜNCHENER SOMMER-AUSSTELLUNGEN
Zu den zwei, seit einer Reihe von Jahren üb-
lichen Ausstellungen von Werken bildender Kunst
im Glaspalast und im Kunstausstellungsgebäude am
Königsplatz (Sezession) gesellte sich diesen Sommer
noch eine dritte, die einstweilen mit höchst prosaischen,
für ihren Zweck aber gar nicht ungeeigneten Räumen
vorlieb nehmen mußte: die I. Deutsche »Juryfreie«
Kunstausstellung im mittleren Pavillon der städtischen
 
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